Eimerweise Schmalz


Klinge-linge-ling, klinge-linge-ling, hier kommt der Ayman: Die Tonträger-Industrie begeisterte sich 2001 für alles, was man "Deutschen Soul" schimpfen konnte.

Als der angehende Tischler Ole aus Hamburg mit Demo-Aufnahmen bei zehn Plattenfirmen vorsprach, konnte er kaum so schnell „Deutscher Soul“ sagen, wie er Stift und Vertrag in die Hand bekam. Acht Zusagen sofort, die beiden anderen mit Verspätung. BMG stärkt dem Bub nun den Rücken, damit er mit den anderen Schmusesöhnen aus Mannheim und dem Rest der Republik um die Wette jaulen kann, bis das Glashaus birst. Dass Ole gänzlich weiße Haut hat, in den Worten des Labels ein „Carsten Janker-Typ“ ist, schadet nicht. Denn der Soul hat inzwischen ein Recht darauf, „deutsch“ zu sein. Auch wenn es „Deutschen Soul“ nicht geben kann, musikhistorisch betrachtet. Soul aus Deutschland ist das bestenfalls, streng genommen aber nichts weiter als eine nationale Reaktion auf ein amerikanisches Problem – eine bedingungslose Solidaritätsbekundung beinahe. „R’n’B“ heißt das wässrige Genre, das längst nichts mehr zu tun hat mit Rhythm’n’Blues. Glattes Geschmalze a lä R.Kelly, pathetisch vorgetragen in deutscher Sprache – das war 2001 in Deutschland plötzlich jugendfrei. Vor drei Jahren, als Xavier Naidoo sein 3P-Debüt „Nicht von dieser Welt“ über eine Million mal verkaufte, zögerten die Talentscouts noch. Zu viel Kunze, zu wenig cool schien „Sie sieht mich nicht“. Doch als der Ex-Security-Terrier Ayman mit dem zärtlichen „1000 Mal“ im Sommer 1999 in die Charts einstieg und anschließend das erfolgreichste deutschsprachige Album des Jahres nachschob, kam Panik auf. Über Nacht hatte sich ein „neues“ Genre etabliert, nur Künstler gab es kaum. So verzweifelt waren die Labels, dass sie gar Zanki aus dem Schlaf klingelten (Maahn war schon wach), bis endlich Nachwuchs wie Ole und Samir an der Türe klopfte. Und bevor dem Genre auch nur ein anspruchsvoller Song attestiert werden konnte, gab es bereits eine eigene Terminologie: Inflationär wird die „Seelentiefe“ bejubelt, der „hochemotionale Ohrenschmaus“ gelobt.Wer bei drei nicht auf dem Baum war, musste ein Debüt veröffentlichen – bisweilen noch mit Hilfe der gekauften Credibility eines HipHop-Gastes (Ole feat. Deichkind, Samir feat. Massive Töne), zur Not aber einfach als Konzert-Support von Pur (Laith Al-Deen). Mit offenen Armen nahm die Tonträger-Industrie den Deutsch-Tunesier Ayman, den Deutsch-Bosnier Samir, den Deutsch-Iraker Laith Al-Deen, den Deutsch-Mazedonier Isa Sabani, den Deutsch-Afrikaner-Russen Deema und den Deutsch-Südafrikaner-Inder Xavier Naidoo auf, durch die die deutschen Schlager-Charts 2001 endlich zu der kulturellen Vielfalt fanden, die seit den italienischen, französischen und griechischen Akzenten der 50er, 60er und 70er Jahre so herbeigesehnt wurde. Endstation Grand Prix.