Edoardo Bennato


Zwar wählte er als Zentralfigur für sein neues Konzeptalbum E ARRIVATO UN BASTIMENTO (Ein Schiff ist angekommen) den legendären Rattenfänger von Hameln, doch besucht hat der 37jährige die Weserstadt bislang nicht. Auch seine sechstägige Mai-Tournee wird ihn nicht nach Hameln führen. „Ich werde aber privat einen Abstecher machen“, erklärt der kleine Neapolitaner. „Ich habe mich nach meinen vorhergehenden Beschäftigungen mit Pinocchio und Peter Pan vor etwa zwei Jahren für den deutschen Rattenfänger entschieden, weil sich an ihm sehr gut unsere modernen sozialen Probleme aufzeigen lassen. Märchen sind das beste Medium, um über Probleme zu sprechen und um Denkanstöße zu liefern. Ich habe die alte Story nur erweitert, auf unsere moderne Zeit mit Video, TV, Entfremdung, Korruption und Massenkonsum abgestimmt.“

Aus diesen Worten spricht ohne Zweifel eine andere Einstellung als die von Spaghetti-Barden à la Romina Power, Pupo, Umberto Tozzi oder sonstigen Pizzabäckern. Dem ehemaligen Architektur-Studenten aus Neapel, der sich die ersten Jahre in Bologna, Mailand und in England als Straßenmusikant mit der Mundharmonika auch den Großstadt-Staub reinzog, ging’s stets um eine Symbiose zwischen Rock und mediterraner Kultur. Ein Bob Dylan steht ihm ebenso nahe wie ein Enrico Caruso.

Gerade die Verhältnisse in der Heimatstadt Neapel formten ihn zu einem Menschen, der sich für seine Belange stark macht. „Neapel ist die Schule der Lebenserfahrungen für mich. Die Probleme in Neapel sind die gleichen wie in New York. Tokyo oder Kingston. Nur viel eklatanter. Neapel ist ein Dschungel. Da mußt du kämpfen, um zu überleben. Und du mußt viel Ironie aufbringen.“

Bennato gab dieses heiße Pflaster die Impulse zu seiner bislang acht LPs umfassenden Karriere als Italiens bekanntester und unbequemster Rock-Star. Er singt mit Ironie, klarem Bewußtsein und einer gehörigen Portion sarkastischer Schärfe gegen Verdummung, Unaufgeklärtheit und Knebelung. Ein Prophet, der nicht mit offener Hand und erhobenem Zeigefinger predigt. Vielmehr ein Rock-Musiker, der über die Freude am Spielen auch noch mit fundierter Ernsthaftigkeit überzeugt.