Interview

Ducks on Drugs (Ex-Schnipo-Schranke) im Interview: „Die ‚Lindenstraße‘ ist auch eine Form von Punk“


Endzeit für Pisse: Schnipo Schranke haben sich getrennt. Dafür gibt es jetzt Ducks on Drugs. Was ist da los, wie konnte es dazu kommen? Linus Volkmann hat bei Daniela Reis und Ente nachgefragt. Knallhart, versteht sich.

Eine Band, die mich im auslaufenden Jahrzehnt unglaublich begeistert hat, waren Schnipo Schranke. Ob mit „Pisse“ oder „Cluburlaub in der Karibik“, diese zwei Frauen haben die festgefahrenen hiesigen Pop-Verhältnisse auf lustige wie smarte Art übertölpelt. Irgendwann nach der zweiten Platte wird es abrupt still, die Kolumne, die Fritzi Ernst und Daniela Reis im Musikexpress pflegten, endet kommentarlos. Nun erscheint die erste Single von Ducks On Drugs – dem Act, den Daniela zusammen mit ihrem Mann, dem Schnipo-Schlagzeuger Ente, ganz neu aufgestellt hat. Das Stück heißt „Endzeit“. Grund genug zur Nachfrage: Was war und ist da los?

https://youtu.be/wJcmurKVQ_Q

Schnipo Schranke sind Geschichte. Was zur Hölle ist passiert bei euch?

DANIELA REIS: Es ist ziemlich genau ein Jahr her, da haben Fritzi und ich uns gestritten. Es gab zwischen uns viel größere Differenzen, als das von außen vermutlich aussah. Wir hatten das aber nie berührt, auch aus der Angst, dass damit vielleicht alles vorbei sein könnte. Und so ist es dann auch gekommen, es ist uns alles um die Ohren geflogen – und für mich war der Bruch dann einfach irreparabel.

Aber in einer Band, das dürfte doch jedem klar sein, zofft man sich über alles Mögliche. Was kann denn da so existenziell gewesen sein?

DANIELA: Ich kann nur sagen, dass wir es uns wirklich auf die Fahnen geschrieben hatten, nie über die Probleme, die wir miteinander haben, reden wollen.

Bin kein Psychologe, aber das klingt jetzt nicht nach einer sonderlich ausgereiften Idee.

DANIELA: Ja, das stimmt wohl. Aber wir haben uns auf diesen verrückten Deal eingelassen und dann hat sich alles gesammelt bis zum Crash.

Ist der Auslöser in irgendeiner Form eure Beziehung gewesen? Immerhin haben Daniela und Fritzi als Duo angefangen – und von der zweiten Platte an waren Schnipo Schranke dann ein Ehepaar und Fritzi.

ENTE: Also ich war total überrascht, wie hoch der Dampf auf dem Kessel bei den Beiden wirklich war. Natürlich muss man die Wurzeln auch in dieser unsäglichen Dreierkonstellation suchen und vielleicht hätte man noch was rumreißen können, wenn früher geredet worden wäre.

DANIELA: Meine Überzeugung ist: Wenn wir früher über alles gesprochen hätten, wären wir trotzdem an den Punkt gekommen, wo Schnipo Schranke in die Luft fliegt.

Blockflöte, Cello und Pisse - Schnipo Schranke im Interview

Man kann also festhalten: Wir reden hier von persönlichen Gründen bei der Trennung und nicht von den klassischen „musikalischen Differenzen“?

DANIELA: Na ja, da steckt natürlich alles mit drinnen, das hat auch das Künstlerische betroffen, wir hatten das dritte Album ja eigentlich fast fertig… Aber Du musst Verständnis haben, dass ich nicht alles was mir und was Fritzi auf der Seele brannte, hier jetzt ausplaudern möchte.

Ihr habt aber im Giftschrank noch ein gemeinsames Album, das wir nie zu hören bekommen werden?

DANIELA: Es ist nicht so, dass ich alle Texte, die ich für diese Platte geschrieben habe, weggeworfen habe…

Letzte Frage dazu: Habt ihr noch Kontakt oder ist keine Versöhnung in Sicht?

DANIELA: Nee, es ergibt für mich keinen Sinn mehr – und ich möchte jetzt endlich was Neues starten, mit dem ich wieder zufrieden bin. Ich will – ganz klischeemäßig – nach vorne gucken können.

Foto: Tillmann Engel

Gut, dann machen wir das jetzt mal. Was könnt ihr uns über die neue Band Ducks On Drugs sagen?

DANIELA: Wir haben quasi das ganze letzte Jahr darauf verwendet, diese Platte fertigzustellen – und sind da jetzt gerade beim Mischen und Mastern.

ENTE: Daniela spielt Gitarre, für mich bleiben die Tasten und der Bass und das Schlagzeug kommt ganz modern vom Band. Und gerade weil wir nur zu zweit sind, ist die Devise, dass wir alles rausholen wollen aus dem Sound. Es soll richtig fett klingen. Wir machen nichts Lyrisches, wir machen keine Balladen. Soll man stattdessen ruhig auch mal in der Diskothek hören können.

DANIELA: Und was auf jeden Fall neu ist, dass wir beiden singen werden. Okay, hauptsächlich ich, aber dann auch eben mal Ente.

ENTE:  Vornehmlich um dem Ganzen so eine animalische Note zu geben.

Wenn uns das jetzt wirklich alle umhauen sollte: Wie können wir als Hörer sicher sein, dass ihr nicht auch gleich implodiert? Immerhin ist das Konfliktpotenzial bei einem Pärchen, das auch noch zusammen Kunst macht, ja auch nicht gerade gering.

DANIELA: Da wir uns beide schon gegenseitig das Leben gerettet haben, wissen wir den anderen ganz anders zu schätzen. Als wir uns kennenlernten, waren wir beide so derbe am Boden, aber haben jeweils in dem anderen ein Potenzial gesehen. Da streitet man nicht mehr über Kleinkram. Also zu deiner Beruhigung: Wahrscheinlich sind Ente und ich das beste Pärchen der Welt. Und das verschenkt man nicht wieder.

Und wenn man im Studio an einem Stück arbeitet, kriegt es nicht hin und kommt nach Hause und da geht die Diskussion darum einfach weiter. Vermisst ihr da nicht auch mal die Distanz zur eigenen Band?

DANIELA: Ach, ich habe eh zu nix eine Distanz.

ENTE: Außerdem sind wir immer erst zu Christian [Heerdt – Produzent der Platte und auch Musiker bei der Band Botschaft, Anmerkung] hin, wenn wir ein Stück schon fertig hatten, da gab es nie Frust.

DANIELA: Ja, es hilft auch, dass wir einfach saugut sind.

Viel kann man davon noch nicht hören, aber es gibt einen Song vorab. Darin geht es um einen Abschied. „Endzeit“ handelt von der „Lindenstraße“, die ja in diesen Monaten nach gefühlt 100 Jahren ihr Ende finden wird. Seid ihr Fans?

DANIELA: Ente guckt das schon immer, ich bin eingestiegen, als ich mit ihm zusammenkam. Aber habe da dann selbst sofort Riesenbock drauf bekommen. Hans Beimer ist für mich ja sowas wie mein …

… Krafttier?

DANIELA: Nee, mein imaginärer Vater. Als die Figur gestorben ist, war ich richtig richtig fertig.

Ja, das habe ich auch gesehen. Das war eine Folge, in der live zu seinem Ableben das WDR-Rundfunkorchester gespielt hat. Alles von unseren Gebührengeldern!

DANIELA: Für Hans Beimer nur das Beste!

Habt ihr mal die Kulissen besichtigt?

DANIELA: Nee, mir wäre das zu trostlos, mit so einer Gruppe an Leuten durchgeschleust zu werden – und jetzt ist es eh viel besser, denn wir wurden eingeladen dorthin. Die Cosima Viola [Darstellerin von Jack] hat uns eingeladen nach Köln, da werden wir uns das dann mal angucken und sie hat es uns auch ermöglicht, dass unser Stück in einer Folge gespielt wird.

ENTE: Und ich kann im Sarikakis was trinken – wie früher Harry [Rowohlt].

Schnipo Schranke :: Rare

Kennt ihr den Sampler „Wir warten auf die Lindenstraße“ aus den späten Achtzigern? Die Goldenen Zitronen sind drauf, aber auch Bela B., Max Goldt und die Abstürzenden Brieftauben.

DANIELA: Ich habe nur mal das Cover gesehen…

ENTE: Aber guter Punkt, wir hatten nämlich Sorge, dass wir bei jedem, der noch bis vier zählen kann, schon mal out sind, wenn wir uns auf die „Lindenstraße“ beziehen. Aber Dani meinte, dass die Serie definitiv auch eine Form von Punk ist.

Weil diese ewige Serie jetzt doch zu einem Ende kommt, legt sich da eh eine Schwere drüber. Da passt eine Hommage, die „Endzeit“ heißt, doch vermutlich sehr gut.

ENTE: Ja, genau, wir wollen die bleierne Decke sein, die sich noch zusätzlich über die „Lindenstraße“ legt.

Was unterscheidet die Ducks on Drugs neben der Besetzung von Schnipo Schranke?

DANIELA: Ich kann zu den Stücken sagen, dass wir in einem Urlaub in Thailand eine CD gekauft haben, auf der circa 100 Songs drauf waren, die aktuellen Chart-Sachen von dort eben. Die haben ganz andere Tonleitern dort – und für mich war da echt einiges an Inspiration drin.

ENTE: Und es wird diesmal keine Kraftausdrücke geben.

Pimmelreiter, Pisse und sowas sind echt nicht dabei?

DANIELA: Nee, es geht überhaupt nicht einmal um Sex auf dem Album. Ich möchte allerdings darauf bestehen, dass es deshalb nicht weniger hart ist. Im Gegenteil. Psychische Krankheiten werden zum Beispiel wieder Thema sein, ach, insgesamt kann man in einem Tagebuch blättern. Einem viel zu offenen Tagebuch, aber das gehört für mich dazu, wenn man Musik macht.

Foto: Tillmann Engel