Dry The River


Der Bedarf an Bands, die dem Folk neue Frische einfiedeln, scheint ungebrochen: Bei diesen Briten trägt allerdings nur ein Mitglied Vollbart, ihr Neo-Folk hat gar keinen.

Dem dünnen Jungen fallen die Haare ins Gesicht wie ein Verloursvorhang. Das gesamte Konzert über bleibt der dicke Vorhang geschlossen. Vielleicht denkt Dry-The-River-Sänger und Songschreiber Peter Liddle dahinter gerade an Schnee. „In Norwegen, wo ich herkomme, hat es oft so doll geschneit, dass wir nicht zur Schule mussten“, erzählt Liddle in Hamburg, kurz vor einem Support-Gig für The Antlers.

Liddle verließ Norwegen, als er sechs Jahre alt war, trotzdem hängen in seinem Unterbewusstsein noch jede Menge Erinnerungen an Norwegen herum. Romantische, nostalgische Bilder von roten Holzhäusern an Seen, verfallenen Bushaltestellen und so. „Vielleicht schleichen sich diese Eindrücke auch in unsere Songs“, sagt er und guckt dabei zerknittert wie eine Figur aus einem Aki-Kaurismäki-Film. Liddle und seine vier Bandkollegen machen Neo-Folk, wie ihn die Fleet Foxes, Band Of Horses und zuletzt Mumford & Sons sehr erfolgreich vorexerziert haben. Die Plattenfirmen zankten sich um eine Unterschrift der Band, heute gehören Dry The River zum Programm von Major Sony. Gar nicht übel für fünf Jungs aus Stratford/East London, die jahrelang in lokalen Bands spielten, die „irgendwie alle wie At The Drive-In klangen“, wie Liddle sagt.

Alles änderte sich, als er sich hinsetzte und anfing, andere Songs zu schreiben: ruhige, akustische Stücke, total Lo-Fi. „Ich schätze, es war während einer Phase, in der ich mal wieder Höllenqualen wegen eines Mädchens litt“, sagt der Songschreiber und lächelt dabei, „so ist es jedenfalls meistens.“

Liddle fragte ein paar Freunde, ob sie Lust hätten, die Songs unter dem Namen Dry The River aufzunehmen. „The Chambers & Valves“-EP erschien im Juni 2009. Dann ging alles ganz schnell: „Wir fanden es schon großartig, dass wir in ganz England touren durften. Und dann stehen wir eines Tages am Flughafen, um nach Amerika zu fliegen. Zu Peter Katis, der auch die Alben von The National und Interpol produziert hat. Ich dachte nur: ‚Was geht hier ab? Wir haben unsere EP in meinem Schlafzimmer aufgenommen und jetzt jetten wir nach Amerika!'“, sagt Liddle.

So Lo-Fi wie anfangs klingen die Stücke nicht mehr. Liddle: „Das kommt vom vielen Live-Spielen, wir sind seit fast eineinhalb Jahren auf Tour. Dabei haben sich die Songs entwickelt. Sie sind lauter und ungestümer geworden.“

Außerdem müsse man sich als Vorband ja behaupten. Eine Tatsache, die Liddle mehr fordert als fürchtet: „Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Möglichkeit eins: Alle hassen uns. Dann haben wir halt Pech gehabt. Möglichkeit zwei: Wir können ein paar Fans gewinnen. Das ist großartig!“ Man darf also davon ausgehen, dass Liddle hinter seinem dichten Haarvorhang ein zufriedener Mensch ist.

* Die Band lebte ein Jahr zusammen in einer kleinen Wohnung in East London auf Matratzen. Im Keller wurde geprobt. Erst vor Kurzem zog Sänger und Songschreiber Peter Liddle aus: „Ich will es mal mit einem eigenen Bett versuchen.“

* Dry The River haben in Deutschland schon Konzerte für Foster The People und The Antlers eröffnet.

* Liddles Vater verbot seinem Sohn das Musikmachen, weil der sich lieber auf sein Medizin-Studium konzentrieren sollte. Liddle hielt sich ein Jahr daran und startete dann Dry The River. Das Studium liegt derzeit auf Eis.

* Das Debütalbum der Band, Shallow Bed, soll am 2. März bei Sony erscheinen.