Dirty Pretty Things


Carl Barat galt als der "vernünftige" Libertine. Jetzt holt er zum Gegenbeweis aus. Oder?

Es soll das große Comeback des Carl Barat werden. Das erste Mal London ohne Libertines, wenn auch nicht das erste Mal ohne Pete Doherty. Aber die Vorzeichen stehen nicht gut. Mit ein paar Gigs in Mexiko habe man sich in Ruhe warmspielen wollen. Die Gigs seien jedoch ziemlichst in die Hosen gegangen, gesteht Drummer Gary Powell beim Interview vier Stunden vor Konzertbeginn. Auch die Kritiken von zwei Konzerten in der englischen Provinz waren eher gemischt. Keine versäumte es, hervorzuheben, die besten Songs seien zwei Evergreens aus Libertines-Zeiten gewesen. Keine ließ das Naturgesetz unerwähnt, daß in der Evolutionsgeschichte des Rock’n’Roll Chaos stets der Vernunft weit überlegen war. Und es ist nun mal so: Inder Libertines-Legende wird Pete Doherty als chaotisches Genie verbucht, während Barat gerade mal die Rolle des Wasserträgers einnehmen darf.

Die Vorzeichen stehen noch schlechter, als mitten im Studentenpublikum plötzlich Courtney Love herumläuft. Und noch noch schlechter, als eine volle Stunde nach der Vorgruppe noch immer kein Pretty Thing auf der Bühne erschienen ist. Wie Schwefel hängt der schreckliche Verdacht im Raum, Carl könnte den Weg des Pete gegangen sein. Da tritt ein nervöser Gary Powell auf die Bühne, erklärt, man wisse nicht, ob der Gig stattfinden könne, Barat leide an einer schweren Migräne – und trommelt dann in einer beeindruckend mutigen Goodwill-Geste fünf Minuten lang solo vor sich hin. Das Gerumpel vertreibt offenbar die bösen Geister aus Barats Kopf. Nur eine Viertelstunde später stürmen die Dirty Pretty Things, ganz in schwarzes Leder gekleidet, auf die Bühne und dreschen los. Zwanzig Minuten lang tut man sich schwer: Zwar wird alles mit hochenergetischem Punk-Drive hingebrettert, aber es fehlt die Präzision und mit ihr wahre Dynamik. Lauter neue Songs sind auch fürs Publikum kein leichter Brocken. Dann legen die drei Frontherren (neben Barat Bassist Didz Hammond und Gitarrist Anthony Rossomando) die Jacken ab und damit offenbar das letzte Quentchen Nervosität. Auf einmal springt der Funke über. Die beiden Libertines-Nummern „Death On The Stairs“ und „I Get Along“ fallen da gar nicht als besonders positiv aus dem Rahmen – neue und alte Songs wirken jetzt wie aus einem Guß. Alles klingt doppelt so intensiv wie auf den ersten Albumstücken, die man vorher im Büro der Plattenfirma hören durfte. Zuletzt sieht man vor zappelnder Crowdsurfer kaum mehr die Bühne. Althase Alan McGee – Barats Manager – steht neben dem Mischpult, ein Grinsen im Gesicht. Auch er weiß: Man hat sich umsonst um Carl Barat Sorgen gemacht.

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