Diese Welt ist falschrum
Als Sänger Sam Endicott, Keyboarder John Conway, Schlagzeuger Anthony Burulcich, Gitarrist Michael Zakarin und Bassist Mike H. vor zwei fahren in einem kleinen Raum ihre ersten Songs mit einem iMac aufnahmen, traf, gerade als alles ganz hervorragend klang, draußen ihr zukünftiger Manager Pete ein. Der hatte ein Demo erhalten und war sogleich nach New York gereist, um sich die Band anzusehen. „Hoffentlich sehen die nicht alle total scheiße aus „, soll sein Stoßgebet gewesen sein, bevor er die Tür öffnete. Die Musik der jungen Wahl-New-Yorker hatte ihn längst überzeugt.
Michael Zakarin, der es als einziger zum Interviewtermin mit uns geschafft hat, weil die anderen ausschlafen müssen, lacht kurz und knapp über die Anekdote. Ja, das erzählt Petegerneherum. Ich bin mir nicht sicher, ob es so war oder ob ersieh das im Nachhinein ausgedacht hat. Angeblich hatte er tatsächlich riesige Angst, daß sich hinter dieser Tür ein paar absolut unvermarktbareVisagen verstecken könnten. „Wenn man sich nur das Publikum anschaut, das vor dem Hamburger Molotow eintrudelt, wo The Bravery heute abend spielen werden, wüßte man, selbst ohne die Bandmitglieder selbst jemals gesehen zu haben, daß Petes Sorgen absolut unberechtigt waren: Dieses Publikum würde sich nie eine Kapelle ansehen, die nicht cool aussieht. Jeder dritte Fan, Jungen wie Mädchen, trägt dieselbe Frisur wie mindestens ein Mitglied seiner neuen Lieblingsband: wild und asymmetrisch. The Bravery sind, noch bevor ihr Debütalbum hierzulande veröffentlicht ist, Style-lkonen. „Natürlich geht es uns maßgeblich darum, gute Musik zu machen?“,verlautbart Michael, „aber all die Bands, diemich in meinem Leben am meisten beeindruckt haben, haben nicht nur prima Songs geschrieben -sie sahen auch allesamt super aus. The Kinks, The Beatles, The Clash so wollte ich als Teenager auch aussehen.“
Vor allem, wenn es um Auftritte geht müsse man auch optisch was hermachen. Und live spielen die Jungs mit dem Faible für das omnipräsente 80er-Jahre-Analog-Keyboard momentan eine Menge: „Wir möchten so viele Leute wie möglich persönlich erreichen. Wir haben auch schon größere Hallen gespielt, aber wenn wir die Wahl haben, gehen wir lieber einmal öfter auf Tour und sind dafür näher an den Fans.“
Und wenn Zakarin nicht gerade tourt, besucht er offenbar Presseseminare für Boygroups, so geschmiert liefert er seine Bodenständigkeits- Bekennmisse ab.
Nur die Sonnenbrille bleibt dann noch als äußeres Zeichen der Dekadenz übrig – die hat aber auch darüber hinaus selbst abends um neun noch ihre Berechtigung: „Wir sind nur unterwegs und schlafen nicht besonders viel. Nun – undgestern haben wir auch noch ein paar nette Leute kennengelernt… Dieses Ding mit Sex, Drugsib Rock’n’Roll haben wir aber durch.Wir genießen jedoch weiterhin den Austausch mit den Fans …“ Die ostentative Fan-Nähe wiederholt er wie ein Mantra. Das mag daran liegen, daß sich die Band ursprünglich auf sehr technischer Ebene zusammenfand. The Bravery ist, wenn man so will, ein Laborprodukt. „Zuerst haben wir ausschließlich produziert“, erzählt Michael Zakarin. „Wir haben Songs geschrieben und gleich aufgenommen. Wir haben nicht einmal wirklich geprobt. Anfangs waren wir ziemliche Technik-Frickler – und als wir dann plötzlich unser erstes Konzertgeben sollten, entsprechend nervös.“
Inzwischen haben The Bravery einen Weg auf und ihren Sound für die Bühne gefunden: „Unsere Liveshowssind wesentlich roher als das Album. Esist uns sehr wichtig, daß man den Unterschied hört. Denn sonst könnten die Leute genauso gut zu Hause bleiben und sich einfach die Platte anhören.“ Wenn sie hier endlich mal offiziell erschienen ist. Er lacht. „Stimmt, bislang kennen dieLeuteja eigentlich nur die Singles. Das hatte ich schonfastvergessen. Nun, andersherum ist es vielleicht auch spannend, uns zu entdecken.“
Die ganze Band ist eben andersherum: Während andere sich für einen Plattenvertrag monatelang live die Finger wund rocken, folgten bei The Bravery die größten Herausforderungen erst nach Vertragsabschluß und Studiobesuch. „So habe ich das noch gar nicht gesehen „, sagt Michael, „weil das Album für mich ja auch schon langefertig ist. Aber da ist schon was dran. Als wir vor gar nicht allzu langer Zeit unser erstes Konzert in Deutschland spielten, kannten die meisten Leute außer, An Honest Mistake‘ keinen einzigen Song.“ Nun singen sie mit (obwohl das Album immer noch nicht erschienen ist, aber als Import in den Regalen steht). Und sie stylen sich wie Bravery. „Das ist okay „, findet er. Ja, das gefällt mir.“ Manager Pete muß sich darüber jedenfalls schon lange keine Sorgen mehr machen. www.thebravery.com