Diener Dreier Herren


Als Solist kam der kleine Mann nie groß raus. Doch als Mietmusiker der Promi- nenz ist Nils Lofgren gefragter denn je.

Der Schweiss tropft in der Essener Grugahalle von den Wänden. Dafür sorgt ein sonnenbebrilltes Männlein von knapp einem Meter sechzig, das mit seiner schneeweißen Gitarre über die Bühne tanzt wie Rumpelstilzchen ums lodernde Lagerfeuer. Krönender Abschluß ist schließlich noch ein Salto rückwärts auf dem bereitstehenden Miniaturtrampolin — anno ’78 einer der Höhepunkte im damals noch hell glitzernden „Rockpalast“.

Große Sprünge dieser Art mag Nils Lofgren heute nicht mehr machen („schließlich bin ich kein Zirkiisartist“).

Da hilft der kleinste unter den großen Gitarristen schon lieber seinem Kumpel Ringo Starr dabei, dessen kunterbuntes Alterswerk auf die Bühne zu bringen — Ringos berüchtigte All Starr Revue.

Als Edeltöner unter den gefragten Mietmusikern hat Lofgren ja reichlich Erfahrung. Die längste Zusammenarbeit verbindet ihn mit Neil Young. Bereits 1970, also im zarten Knabenalter von 19 Jahren, durfte Nils mit Neil musizieren.

Bei den Aufnahmen zum inzwischen legendären Album „After The Goldrush“ steuerte der hoffnungsvolle Teenager ein paar Klavierfiguren und etwas Gesang bei. Seit dieser Zeit ist Lofgren mit Young en» befreundet:

„Jemanden wie Neil kennenzulernen, war für mich ein großes Glück. Klar, auf der Bühne isi er manchmal ein richtiges Rauhbein. Andererseils ist er aber auch ein unglaublich sensibler, hilfsbereiter Typ. Das düstere Image, das ihm die Medien verpaßt haben, trifft jedenfalls nur sehr bedingt auf ihn zu. Neil geht genauso gern in die Kneipe und lacht über ’neu blöden Witz wie jeder andere auch.“

Alles andere als ein blöder Witz war im DezeTnber 1989 für die Betroffenen das Ende der E Street Band. Jener Gruppe also, mit der Bruce Springsteen nach jahrelanger Zusammenarbeit den Höhepunkt seiner Karriere erlebte. Nils Lofgren, der in der E Street Band Gitarre spielte, mag bis heute nicht ans endgültige Aus glauben: „Wenn ich jetzt hier sitze und mir dir rede, betrachte ich mich noch immer als Mitglied dieser Gruppe. Weißt du. Bruce ist ein cleverer Bursche. Der würde nie ein für allemal irgendwas aufgeben. Und schon gar keine Band, die sich 20 Jahre lang bestens bewährt hat. Außerdem sind alle Musiker wohlauf. Von einem endgültigen Ende der E Street Band zu sprechen, ist daher wohl noch etwas verfrüht. Vielleicht stehen wir ja in drei, vier Jahren wieder zusammen auf der Bühne.“

Dort hielt sich der begehrte Sideman in den letzten Monaten vorzugsweise mit Alt-Beatle Ringo und dessen All Starr Band auf:

„Schließlich war es die Musik der Beatles, die mich als Jttnqe auf den Geschmack brachte.“

An die Fab Four allerdings dürfte sich Lofgren bei der Doppelherz-Tour von Ringo und seinen Freunden — unter ihnen die Ex-Eagles Joe Walsh und Timothy B. Schmit, Rockabilly-Legende Dave Edmunds und der Studio-Veteran Todd Rundgren — eher selten erinnert haben. Statt beatle’scher Pop-Perlen galVs ein kunterbuntes Musik-Allerlei mit teils zweifelhaften Beiträgen von sämtlichen Beteiligten.

Immerhin hatten die All Starrs. also auch Nils Lofgren. ihren Spaß: „Als wir uns vor Jahren zum ersten Mal trafen, fragte ich Ringo, wie ersieh unsere Zusammenarbeit denn vorstelle. Er sagte nur: .Spiel, was immer dir gerade einfällt. Sing, wozu du Lust hast. Und lauf auf der Bühne nun, soviel du willst. Aber beachte immer diese eine Regel: have fun!‘.“ Das fiel ihm dem Star-Gitarristen denn auch nicht besonders schwer.

Genauso wenig offenbar, wie zu akzeptieren, daß er als Diener dreier Herren immer wieder in die Rolle des ewigen Zweiten gedrängt wurde:

„Ich muß nicht dauernd den Frontmann spielen und füge mich gern in ein Team ein. Außerdem habe ich den weitaus größten Teil der vergangenen 24 Jahre mit eigenen Bands zugebracht. Selbst, wenn mich viele nur in Zusammenhang mit Neil, Bruce oder Ringo erwähnen.“

Das durfte sich wohl auch in Zukunft kaum ändern. Denn auf Lofgrens neuem Album revanchiert sich Neil Young bei seinem alten Weggefährten für dessen wiederholte Dienste mit Einlagen als Sänger und Gitarrist. Dennoch erscheint „Crooked Line“ in Amerika nur auf einem Indie-Label. Für Lofgren weder ein Weltuntergang noch besonders erstaunlich: „Wenn jemand schon so lange dabei ist wie ich und nicht regelmäßig Hits abliefen, verlieren die großen Firmen allmählich das Interesse. So ist das nun mul in diesem Geschäft.“