„Die Taube of Shit Metal“
Jedes dieser Bilder erzählt eine Geschichte. Nur welche? Wir haben nachgefragt. Diesmal: Jesse Hughes (Eagles Of Death Metal/Boots Electric)
Funkadelic
Parliament und Funkadelic sind die Schöpfungen von P-Funk-König George Clinton. In ihrer Besetzung weitgehend identisch, zertrümmerten die orchestergroßen Crews die Grenzen von Funk, Rock und Jazz. Der Einfluss beider auf Jesse Hughes ist enorm.
Money Mark (u.a. Keyboarder der Beastie Boys – Anm. d. Red.) hat an meinem Boots-Electric-Album mitgearbeitet. Er hat es geschafft, dass ich endlich so werden konnte wie meine Helden von Funkadelic und Parliament. Ich liebe George Clinton! Schau dir nur diesen Typen an! Wenn ich könnte, wäre ich George Clinton. Was ihren Einfluss betrifft, würde ich Funkadelic eher Boots Electric zuordnen und Parliament den Eagles Of Death Metal. Als ich meinen Collegeabschluss gemacht habe, gab mir meine Mutter 35 000 Dollar. Ich sollte mir damit wohl ein Haus kaufen oder so. Aber ich habe alles ausgegeben, um Parliament und Funkadelic drei Monate auf ihrer Reunion-Tour zu folgen. Das war eines meiner eindrucksvollsten Erlebnisse in Zusammenhang mit Musik. Da wurde mir klar, dass ich das auch machen will.
Journalist
Hughes studiert am Greenville Technical College Journalismus, außerdem ist er ausgebildeter Lehrer. Seine Meinung zu beiden Berufen ist eher gespalten.
Tatsächlich wollte ich als Kind Politiker werden. Genauer: Anführer. Und zwar einer, der ganz in der Tradition der großen amerikanischen Männer steht. Politik und Journalismus haben aber schließlich so einiges miteinander zu tun, und ich habe beides gelernt: Politik und das Schreiben darüber. Angefangen habe ich allerdings mit Gossip- Geschichten für die „Desert Sun“. Palm Springs, mitsamt seiner reichen Hollywood-Community, befindet sich nicht weit entfernt von Palm Desert, wo ich damals gewohnt habe. Später bin ich in den politischen Journalismus gewechselt und zu dem Schluss gekommen: Entertainment und Politik – das ist alles die gleiche Scheiße. Und bei den amerikanischen Lehrern und Schulen sieht es auch nicht besser aus. Da wird nur rumgefickt, und alle wollen cool sein. Dabei sollte man dort doch etwas lernen, oder?
Poison
Es gibt tatsächlich eine Verbindung zwischen den Hair-Metal-Helden aus Harrisburg, den Eagles Of Death Metal und Jesse Hughes‘ Drogenentzug.
Himmel, diese Haare! Die sehen echt alle aus wie Mädchen. Nun, wir waren in dieser Bar namens „The Beer Hunter“ und dort gab es eine Jukebox. Joshua Homme und ich haben zuerst „Wind Of Change“ von den Scorpions gedrückt und als Nächstes Poison. Da schrie ein Typ plötzlich: „This is fucking heavy metal!“ Ich: „No, this is death metal!“ Und Josh schließlich: „They are the fucking eagles of death metal!“ So wurde unser Bandname geboren. Übrigens war ich später mit einem Typen von Poison in der Entzugsklinik. Er war wegen seines Koks-Problems dort und sprach die ganze Zeit mit einem merkwürdigen New Yorker Akzent. Ich war wegen Speed dort – und meines allgemeinen psychischen Zustands. Dieser Rock’n’Roll-Lifestyle macht deinen Kopf kaputt … Nun, glücklicherweise gibt es aber auch an solchen Orten tolle Frauen.
Sonny Bono
Salvatore Phillip Bono wurde bekannt an der Seite seiner Ehefrau im Duo Sonny und Cher. Die Ehe wur-de 1974 geschieden. Genau wie Hughes engagierte sich der 1998 verstorbene Bono bei den Republikanern. Jesse arbeitete sogar für ihn.
Sonny war einer der coolsten Männer im Showbusiness. Und er hat tatsächlich an den amerikanischen Traum geglaubt, und er hat niemals Drogen genommen. Wenn es auf dem Sunset Boulevard in Los Angeles Probleme mit Kids gab, rief die Polizei Sonny Bono und binnen weniger Minuten konnte er allein durch seine magische Zunge alle besänftigen. Es ist sehr traurig, dass er nicht mehr lebt. Bestimmt würde ich heute noch immer für ihn arbeiten. Ich glaube an alles, an was auch Sonny geglaubt hat. Und der Schnäuzer … Ähnlichkeiten zwischen uns sind wohl nicht von der Hand zu weisen.
Die legendäre Fotosession für das Album The Joshua Tree (1987) wurde quasi bei Jesse ums Eck in der kalifornischen Wüste aufgenommen. Er wuchs in dem Ort Palm Desert im Coachella Valley auf.
Die Rolling Stones sind schon in den Sechzigern im Joshua Tree Park gewesen, eben weil es ein besonderer Ort ist. Aber wahrscheinlich waren U2 die erste Band, die diese besondere Magie der Wüste tatsächlich spürten. Bono ist für mich außerdem ein gelungenes Beispiel dafür, wie man Musik und Politik kombinieren kann. Grundsätzlich finde ich diese Attitüde natürlich bekloppt. Du kannst kein lustiges Leben führen und anderen Leuten vorschreiben, wen oder was sie zu wählen haben. Bei Bono ist das aber irgendwie anders. Ich finde, es ist nichts Schlimmes daran, sich zu wünschen, dass arme Menschen weniger arm sind. Dazu kommt, dass es nicht mehr viele konstante und konstant große Bands wie U2 gibt. Mit der Wüste verbinde ich aber noch viel mehr. Im Sommer ist es dort unfassbar heiß. Es macht dich stark, wenn du dich dort öfter aufhältst. Du lernst, allein klarzukommen. Hinzu kommt, dass es früher nicht viele Orte gab, an denen Kids aus der Umgebung machen konnten, was sie wollten. In der Wüste ging das. Wir verstauten einen Generator im Auto, fuhren raus, spielten für Hunderte von Leuten und hatten Spaß. Das war allerdings kein ungefährlicher Spaß. Wenn dort draußen etwas passierte, konnte man nicht einfach einen Krankenwagen oder die Polizei rufen. Großartig!
Axl Rose
Gleich beim ersten Auftritt der Eagles Of Death Metal, als Support-Act auf der Tour von Guns N‘ Roses 2006, diskreditiert Axl Rose die Band öffentlich und verbannt sie für alle nachfolgenden Konzerte aus dem Programm.
Wer ist das denn …? Das erinnert mich an Josh. Oh nein – es ist Axl! Tatsächlich ist Axl Rose verantwortlich für meine Karriere. Ich liebe ihn, weil er so ein Arschloch ist. Er nannte die Eagles damals „The Pigeons of Shit Metal“. Einen Tag später kam Dave Grohl zu mir und meinte, dass es einem Ritterschlag der Queen gleichkäme, vor aller Augen von Axl Rose gedemütigt zu werden. Ich habe mir dann gleich ein Tattoo auf den Unterarm stechen lassen – mit Tauben, die Metal scheißen. Ich finde es gut, wenn Schwachköpfe einen nicht mögen, und noch besser ist es, wenn sie das der ganzen Welt erzählen. Eigentlich tut mir Axl leid. Und ich wette, dass er in diesem Moment kokst.
Querflöte
Der Rocker aus ganzem Herzen Jesse Hughes beginnt seine Musikerlaufbahn auf diesem Instrument.
Tatsächlich bin ich über die Flöte zur Musik gekommen. Als ich in der dritten Klasse war, wollte ich in der Schulband Schlagzeug spielen. Doch meine Mutter war davon nicht sonderlich begeistert, vermutlich, weil sie nicht wollte, dass ich etwas mit Rock’n’Roll zu tun haben könnte … wie mein Vater. Ich glaube, mit der Querflöte wollte sie mich gewissermaßen von dieser ganzen Musiksache fernhalten. Nach dem Motto: „Nach der Flöte hat der Junge keine Lust mehr auf Musik.“ Aber das Gegenteil ist passiert. Ich war nur noch überzeugter von meiner Idee. Trotzdem, mit diesem Instrument durch die Schule zu gehen, war kein Spaß. Ein Junge mit Flöte passte den Kids nicht. Vielleicht sieht es für andere so aus, als spiele man auf einem großen, silbernen Schwanz. Ich fand sie trotzdem großartig. Besonders, als ich das erste Mal diese 70er-Jahre-Funk-Band War gehört habe, die spielen alle auf Flöten!
Tuesday Cross
Die ehemalige Pornodarstellerin ist nicht nur seit einigen Monaten Hughes‘ Freundin – die 24-Jährige spielt auch Bass in der Liveband zu seinem Soloprojekt Boots Electric.
Sieht sie nicht unglaublich aus? Ich finde Frauen in Bands ohnehin generell besser als Männer. Es gibt ja dieses Vorurteil, dass Frauen keine richtigen Rocker sein können. Aber das ist Blödsinn. Als Peaches mir damals empfahl, Samantha Maloney mit auf Tour zu nehmen, die am Schlagzeug Josh Homme ersetzte, habe ich begriffen, wie dumm dieses Männerding im Rock eigentlich ist. Tuesday habe ich vor einem Jahr kennengelernt. Sie hat damals in Pornos mitgespielt, aber für mich hat sie damit aufgehört. Eine wahre Liebesgeschichte! Als wir uns das erste Mal trafen, lief ein Song der 70er-Jahre-Metal-Band Pentagram, die fast niemand kennt. Und Tuesday gleich: „Ah cool, Pentagram!“ Kurze Zeit später hat sie einen Typen, der mir blöd kam, mit einer Bierflasche umgehauen. Das wusste ich: „This is my girl!“
Konzertkritik S. 108,
Albumkritik ME 10/11