Die Reklamation
Sensation!!! Konzert in -0,2 Sekunden ausverkauft!
Tickets für ein Konzert der Kings Of Leon, das am 15. Juni in der Londoner O2-Arena stattfinden soll (Kapazität: 20.000), waren, wie man zuletzt überall lesen konnte, „nach drei Minuten ausverkauft“. Vor nicht einmal zwei Jahren wollen die Spiee Girls dieselbe Halle angeblich „in 38 Sekunden“ vollgekriegt haben. Und die Blur-Show, zu der im Juli im Londoner Hyde Park gar 50.000 Leute zugelassen werden, wurde bei dem Online-Ticketshop von Live Nation am ersten Vorverkaufstag im Dezember nach zwei Minuten als „sold out“ geführt. Den Vogel abgeschossen aber hat Jay-Z: Laut seiner Plattenfirma Roc-A-Fella Records waren bei seiner Mini-Tournee“ 2007 die Tickets für die Auftritte in Los Angeles und Chicago „nach 15 Sekunden“ vergriffen. Rechnet man weiter, müsste ein Guns-N‘-Roses-Konzert in Originalbesetzung in etwa drei Sekunden ausverkauft sein, ein Auftritt der verbleibenden Beatles in 1,7. Selbst negative Zeiteinheiten, über die man sonst nur in der Quantenphysik spricht, waren denkbar: Wenn der Ticketbroker Stage Front Tickets am 9. Januar um 12:57 Uhr per Rundmail Karten für Obamas Parade zur Amtseinführung angeboten bat, obwohl die über Ticketmaster offiziell erst um 13 Uhr (mal wieder: für „weniger als eine Minute“) in den Verkaufgegangen sind, müsste eines Tages auch ein The-Smiths-Rcunion-Konzert bereits Sekunden vor Vorverkaufsbeginn ausverkauft sein können. Aber im Ernst: Selbst wenn längst nicht alle Plätze verkauft werden (nach Recherchen der USA Today gingen 2004 bei zwei Coldplay-Konzerten in New Yorks Madison Square Garden von 20 000 Plätzen nur 10 000 in den freien Verkauf) und inzwischen alle Verkaufsstellen und Online-Shops über kein eigenes Kartenkontingent mehr verfügen, sondern auf einen einzigen Pool zugreifen, ist ein Verkauf von Tausenden von Tickets „in weniger als einer Minute“ schwer vorstellbar. Liegt ein 15-Sekunden-Geschäft auf dem Schwarzmarkt noch im Bereich des Möglichen („Wie viel?“ – „WO.“-„Wie bitte?“ (Schweigen) – „Na gut.“), ist so etwas auch bei den schnellsten DSL-Flatrates online nicht mehr vorstellbar. Oder werde ich einfach alt, wenn ich für eine lächerliche Amazon-Bestellung selbst als registrierter Benutzer noch etwas über eine Minute brauche?