„Die finden uns alle cool, egal wer!“


Plattenfirmen verschlüsseln inzwischen Promo-CDs aufwändig, damit sie nicht kopiert werden – ihr verschickt einfach Kassetten.

Samy Deluxe: Die Musik ist auf diese Weise besser geschützt, denn die wenigsten Leute haben das Equipment, um das digital zu kriegen und ins Netz zu bekommen.

Was, denkt ihr, geht durch Raubkopien verloren?

Samy: Zwei Drittel bestimmt. Ich glaube, wenn man so 100.000 verkauft, haben 300.000 mindestens die Platte. Man merkt das ja schon, wenn man nur im Taxi mitfährt. Da läuft Musik, und du fragst, was das ist, und dann so: „Hab ich aus dem Netz geladen.“

Afrob: Das ist eine neue Generation, die kennt Musik nur aus dem Computer. Es fällt mir auch schwer, Leuten das vorzuwerfen. Wenn ich sehe, was eine CD kostet…

Auf der LP geht’s auch um Flugangst. Gehört sich das für Popstars?

Afrob: Ich finde es jetzt nicht irgendwie schick, als Künstler einen Tick zu haben. Ich habe wirklich Angst vorm Fliegen.

Schweißnasse Hände und alles, was dazu gehört?

Afrob: Vor allem schaffe ich’s, mir 20.000 Situationen vorzustellen, die sich ergeben könnten, schwachsinniges Zeug. Für mich gehören Menschen nicht in die Luft, weißte. Manchmal geht’s aber nicht anders. Kannst ja nicht eben mit‘ m Zug nach Namibia fahren.

Da habt ihr euer Video gedreht. War dos nicht mal Deutsch-Afrika ?

Samy: So ist es.

Afrob: Es ist noch immer so. Die verkaufen immer noch Reichsadler und so’n Zeug, Papierkörbe mit Hakenkreuzen. Wir haben die Leute in dem Laden darauf angesprochen, und die meinten, das hätten die Buschneger gemacht – wir sind sofort raus. Solche Sachen. Außerdem ist es wie in Südafrika, dass die Einheimischen außerhalb leben, die Kolonialisten und Imperialisten in der Stadt.

Trotzdem sind doch dort die Deutschen die Fremden.

Samy: Nee. Der Präsident ist ein Schwarzer, aber das ganze Establishment ist weiß.

Afrob, du hast auf deinem letzten Album das Aufwachsen als Schwarzer in Deutschland thematisiert. Ist das immer noch ein Thema? Oder nervt’s?

Afrob: Kommt drauf an, welche Fragen man gestellt bekommt, made in germany ist noch ein Thema für mich, aber ich lasse mich darauf nicht reduzieren. Am Ende der Kampagne war ich schon müde, ich konnte die Fragen nicht mehr hören. Ich musste immer wieder das Gleiche erklären.

Samy: Auf unserem Album geht es um Musik und nicht um ne ausgefeilte Message. Wir wollen einfach wir sein.

Afrob: Und vor allem auch sein dürfen, weißt du? Wenn ich höre, was Leute von uns erwarten, wie das Album klingen wird! So: Da gibt’s bestimmt nur Sozialkritisches…

Samy: Und dann hieß es bei ASD, das stünde für „Aktion Schwarzer Deutscher“. Ich meine: Man fühlt sich echt reduziert auf dieses Hautfarbe-Ding. Wieso können die Leute nicht denken, dass das für „Afrob Samy Deluxe“ steht? Sondern für „Aktion Schwarzer Deutscher“, wie so „Aktion Sorgenkind“, weißte?

Die HipHop-Kompassnadel zeigt immernoch nach Amerika, oder?

Afrob: Halt dorthin, wo’s herkommt. Du kannst dich nicht davon abwenden, du kannst da ja nicht einfach die Nabelschnur durchschneiden, so: „Ich kapp‘ das jetzt.“

Samy: Du kannst auch nicht Reggae ohne Jamaika-Einflüsse machen.

Und in Frankreich?

Samy: Die haben eine wunderbare eigenständige Szene mit gefeierten Stars – trotzdem ist das noch von Amerika beeinflusst.

Deutschland ist da noch nicht so stolz auf seine Szene. Aber das kommt. Was holtet ihr von „8 Mile“?

Afrob: Man muss den Film auf zwei Ebenen sehen, vor allem in unserer Situation. Da kann der auf eine ganz andere Message hinauslaufen. Die Kids sehen: Der arme Eminem kriegt nur aufs Maul, die Schwarzen mögen ihn nicht, er muss sich da durchboxen, und am Ende sieht es so aus, als ob er die Schwarzen gar nicht braucht, um seinen Weg zu machen. Was nicht stimmt. Zweitens könnte in Deutschland die Dynamik rüberkommen: Seht ihr, der Eminem hat das durchmachen müssen, das müssen wir jetzt auch.

Samy: Das Problem ist, dass die Kids die Vorgeschichte nicht kennen, die in dem Film nicht so gut transportiert wird wie teilweise in Eminems Texten. Dass er eben versteht, dass die schwarze Community ein Problem mit ihm hat: HipHop, ihr Sprachrohr, wie Chuck D. es genannt hat, „the black CNN“-und ein Weißer ist der absolute Star. Deswegen greift Eminem ja bewusst das weiße Amerika an und würde nie das schwarze Amerika attackieren.

Afrob: Wenn das nicht differenziert genug aufgenommen wird, kann das schon eine ganz schlechte Kraft kriegen. Der Film wird viele Kids animieren zu rappen. Ich bin auch froh, dass es dieser Film ist, weil es ein gutes Beispiel ist dafür, wie man mit Menschen auf der Bühne umgeht. In Frankreich haben die Leute auch aufgehört, sich zu dissen – weil es nur eskaliert ist.

Aber hier zu Lande wird noch gedisst.

Afrob: Noch, ja, noch…

Würdet ihr euch selbst dissen ?

Samy: Wir uns selbst ja, aber nicht gegenseitig.

Afrob: Ich find’s irgendwie komisch, dass diese Frage jetzt im Raum steht. Obwohl … (klopft Samy gegen die Brust) Lass uns mal machen!

afrob: Man läuft sich schon über’n Weg. Abel ehrlich, ich glaube, die finden deutschen Rap nicht besonders spannend.

Samy: In Frankreich ist viel mehr Kultur, vor allem schwarze Kultur. Schau nur mal, wie die tanzen. In Deutschland ist das ja fast ein Kampfsport. Da drüben siehst du viel mehr Einflüsse, Merengue, Salsa, afrikanische Tänze, asiatische, alles mögliche. Für die Musik gilt das auch, weil die mit richtiger Musik aufgewachsen sind.

Und in Deutschtand?

Samy: Hier war das mehr Kindergarten, so „Backe-backe-Kuchen“-Scheiß, damit sind die Kids hier doch total verblendet worden, bis ihnen jeder Flow aus den Adern rausgesaugt war. Das muss man sich dann Stück für Stück wieder erkämpfen.

Warum sollten „die Kids“ nicht etwa Punk als „Sprache“ annehmen?

Afrob: Punk ist einfach „100 Prozent gegen die Gesellschaft sein“, dreckige Klamotten, komische Frisuren.

Samy: Na ja, du kannst ja auch in ’ner Band spielen, das ist ja auch cool. Aber HipHop bringt die Sachen einfach besser auf’n Punkt. So wie wir beeinflusst waren von Chuck D., so sind die Kids heute von Eminem beeinflusst. Die wissen bei jeder Zeile genau, wovon der redet, wie krass auf ’n Punkt das ist.

Das kann aber doch nicht alles sein.

Samy: Rap geht um Coolsein, jeder will heute cool sein in dieser Gesellschaft, musste mal drauf achten. Die Spießer lachen vielleicht über so weite Hosen im Vorbeigehen. Aber wenn wir dann beim Echo-Award rumstehen und chillen, ey, dann kommense alle, die finden uns alle cool, egal wer. Ich kann verstehen, wenn Leute ’ne andere Szene oder Musik gut finden, aber im HipHop ist so krass viel mehr los. Das ist eine funktionierende Szene. Und man kann nirgends seine Meinung so rüberbringen. Wenn du was zu sagen hast und die Eier, was zu sagen, dann machst du eben HipHop.

Afrob: Ich find‘ Rap einfach am fettesten. Alles andere ist cool, ich respektiere das, ich bin echt ein Musikfreund. Aber Rap, da kommt nichts ran.

Nicht Saufen oder Schnupfen, sondern Kiffen ist die offizielle HipHop-Droge. Warum?

Samy: Ich habe zu viel Energie und Scheiße im Kopf, das ist auf jeden Fall die richtige Droge für mich. Wenn ich koksen würde, wäre ich immer voll auf 180.

Und die Vorwürfe, ihr gebt ein schlechtes Beispiel ab ?

Samy: Ich find s schlimmer, wenn man lügt. Es ist ja auch alles in meinen Texten thematisiert und problematisiert. Drum hab ich kein schlechtes Gewissen.

Afrob: Ich verstehe sowieso nicht, wie man uns das vorwerfen kann. Wenn ich mir Leute in so Sportsendungen anschaue, mit Sektglas oder Bier…

Samy: Fußball wird von Bier präsentiert. Was für’ne Scheiße!

afrob: Wenn du siehst, was das den Krankenkassen Asche kostet, wenn die Leute zur Behandlung gehen wegen ihrer Alkoholprobleme! Wie Leute draufgehen, weil sie im Suff Auto fahren oder abgestochen werden. Das ist krank!

Das System verdient halt am Alkohol.

afrob: Das ginge beim Kiffen auch.

Samy: Packste halt Steuern drauf.

AFROB: Ich meine, die Kinder rauchen so oder so, ob du’s verbietest oder nicht. Dann habe ich’s doch lieber unter Kontrolle, dass ich wenigstens weiß, was die rauchen. Die Leute schmeißen jeden möglichen Scheißdreck rein, ist ja eh alles belastet. Ich sag nur: Nitrofen. Und dann heißt es. Ey, ist doch eh alles nicht so schlimm.

Ihr seid auf dem Laufenden, was so passiert.

afrob: Ey, ich gehe ein, wenn ich keine Zeitungen kriege!

Samy: Ich nicht so.

afrob: Du musst dich doch informieren, was geht. Du kannst nicht wie die Punks gegen alles sein, ohne zu wissen, was abgeht.

Samy: Wir waren in Hamburg, als da diese Bambule-Demo abging. Das waren 3.000,4.000 Leute und vorne so’n Banner: „Regierung stürzen“, und die ganzen Leute voll auf Alk, um drei Uhr nachmittags. Weißt du, wenn die sagen „Regierung stürzen „, dann will ich aber auch keinen von denen da an der Regierung sehen.

Afrob: Es geht immer nur um Intoleranz. Es gibt ja zum Beispiel auch Ausländer, die zu uns „Nigger“ sagen.

Ist das überhaupt noch ein Schimpfwort?

Samy: Kommt drauf an, wer’s sagt.

Afrob: Weißt du, wenn zwei Schwaben zusammensitzen, dann heißt es auch: Du alter Schwabe, da lachen die sich tot.

Samy: Aber wenn ich jetzt hingehe und sage: Du Scheißschwabe…

Afrob: Das ist dann was völlig anderes, das muss man echt so sehen. Zeig mir einen, der sich vor einen US-Marine hinstellt und sagt: „Ey, du Nigger.“ Das macht keiner, never, und man weiß auch genau warum. (Gelächter)

Samy: Würdest du zu einer schwarzen Frau auch „Niggerin“ sagen? Würdest du nicht! Wenn ich das Wort „Fotze“ im Vokabular habe, dann würde ich das auch sagen, wenn eine Frau dabei ist Aber wenn ich mich das nicht traue, ist es auch saudumm, nur vor Männern den Dicken zu machen. www.asdcrew.de