Deutschrap landet in Schulbüchern: Statt Goethe und Schiller jetzt Farid Bang und Fard?
HipHop braucht kein Abitur. Aber vielleicht brauchen Abiturient*innen zukünftig HipHop. Deutscher Rap erhält zunehmend Einzug in deutsche Schulbücher. Bekommen Literatur-Klassiker bald Konkurrenz?
Einige werden sich womöglich daran erinnern, wie sie sich an Goethes „Faust“ oder an Schillers „Der Handschuh“ die Zähne ausgebissen haben. Die literarischen Klassiker, die traditionell im Deutschunterricht behandelt werden, bestechen in der Regel nicht unbedingt durch einfache Sprache oder jugendlichen Zeitgeist. Umso größer dürfte die Freude vieler Schüler*innen sein, wenn sich Lehrer*innen ab und zu an kulturellen Erzeugnissen von Pop- und Jugendkulturen bedienen, die gleichsam Teil ihrer eigenen Lebenswelten sind. Immer häufiger tauchen Rap-Texte zur Analyse oder Gruppenarbeiten zu Deutschrap-Themen in Unterrichtsmaterialien auf. Zwei Rapper, die sich nun geehrt fühlen dürfen, Teil des Lehrplans zu sein, sind Farid Bang und Fard, wobei sich hier bereits die Bandbreite möglicher Auseinandersetzungen mit Deutschrap abzeichnet.
Farid Bang als Thema einer Podiumsdiskussion
Farid Bang, der 2018 mit Kollegah bei der Echo-Verleihung wegen antisemitischer Textzeilen zunächst für einen Skandal und schließlich für die Abschaffung des Musikpreises selbst mitverantwortlich war, postete kürzlich auf seinem Instagram-Account das Foto einer Schulbuchseite, auf der es um deutschen Gangsta-Rap und speziell um seine Texte geht. In einer Partnerarbeit sollen Schüler*innen darüber diskutieren, ob explizite Rap-Texte als jugendgefährdend eingestuft oder gar verboten werden sollen. Farid Bangs gemeinsames Album mit Kollegah JBG 3 landete übrigens tatsächlich auf dem Index.
Novelle VS Rap-Text von Fard
Im Gegensatz zu diesem, nun ja, streitbaren Ruhm, geht es bei einer Aufgabe rund um den Rapper Fard inhaltlich zur Sache. In der Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ von Joseph Eichendorff, die aus dem 19. Jahrhundert stammt, versucht der Protagonist, nachdem er von seinem Vater verstoßen wurde, sein Glück in der weiten Welt und in seiner Musik zu finden. Offenbar wurde hier eine Parallele zu dem Song „Sehnsucht“ von Fard gefunden. In dem Text wird eine schwierige Vater-Sohn-Beziehung angedeutet. Im Rahmen einer Analyse werden Schüler*innen dazu aufgefordert, das Lied im Internet zu suchen. Bei seinem Instagram-Post zu der Schulbuchseite markierte Fard wiederum Farid Bang und schrieb: „Jetzt sind die Klassenclowns offiziell in den Schulbüchern.“ Glückwunsch an dieser Stelle.
Textanalyse, Videoanalyse und Fallbeispiele
Fard und Farid Bang sind nicht die einzigen Rapper, die mittlerweile im Unterricht behandelt werden. Im vergangenen Jahr stattete der Rapper KC Rebell der Klasse seiner Nichte einen Besuch ab, um mit den Schüler*innen zusammen das Musikvideo zu seinem Song „Augenblick“ anzuschauen. Auch dort wurde der Anspruch des Analyseansatzes hoch angelegt. So ging es wohl um die Thematisierung des „Augenblicks“ in Kunst und Musik, weshalb der zu analysierende Rap-Text neben dem Gemälde „Augenblick“ von Daniel Borberg im Schulbuch platziert wurde. Im Rahmen eines umfangreichen Lehrmaterials der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema Sozialisation aus dem Jahr 2016 ging es unter anderem um die Lebensgeschichte des Rappers Credibil, der als Fallbeispiel für Sozialisations- und Beziehungskrisen sowie persönliche Resilienz-Strategien herhielt.
Es ist zu erwarten, dass Rap und die HipHop-Kultur weiter in deutsche Bildungsstätten Einzug erhalten wird. Der Diskussions- und Analysebedarf scheint auf jeden Fall groß zu sein.