Der hohe, harte Norden


Der englische Norden ist ein fruchtbarer Boden für Widersprüche. Z. B. Leeds: Die Stadt am östlichen Rand des „englischen Ruhrgebiets“ um Manchester und Liverpool gilt in Umfragen bis heute als einer der lebenswertesten Orte Großbritanniens – und hat den höchsten Anteil an Unzufriedenen in der Bevölkerung. Arbeit findet man dort fast nur noch in Call-Centers und Dienstleistungsjobs, die öde, entwürdigend und miserabel bezahlt sind. Kein Wunder, daß junge Nordengländer einen Hang zum rebellischen Musizieren haben. Die Szenen haben es aufgrund der Entfernung von London nicht leicht, substantielle Beiträge zur gesamtbritischen Musik zu leisten. Die sind dafür um so prägender und zeichnen sich oft durch enormes Durchhaltevermögen aus. Aus Leeds kamen u.a. Indie-Legenden wie Sisters Of Mercy, Gang Of Four, Chumbawamba, Soft Cell, Wedding Present, aber auch Mel B („Scary Spice“). Unter den neueren Kollegen der Lokalmatadoren Kaiser Chiefs sind The Music am bekanntesten. Newcastle und Sunderland, weiter nördlich an der Ostküste gelegen, sind ein härteres Pflaster und auffällig durch eine gewisse Verschrobenheit. Zu den Pionieren der Newcastle-Szene zählen The Animals, den schrillsten Beitrag zur Popgeschichte lieferten Roxy Music. Überregional von sich reden machten u. a. Lindisfarne, Geordie (deren Sänger Brian Johnson später zu AC/DC ging], China Drum und die Metal-Obskuristen Skyclad. Von der aktuellen Szene sollte man Spraydog und die noch ungesignten Clearway im Auge behalten. Die Futureheads-Heimat Sunderland ist für ihre Punkszene notorisch; prominenteste Vertreter: Angelic Upstarts und später Leatherface. Der einzig nennenswerte Popexport der 90er war die Girl-Band Kenickie, zu den „Konkurrenten“ der Futureheads zählen The Shiwers, Golden Virgins und Pride Of The Revolution.