Der freak von Finkenbach


Zum Guru ist man geboren, zu Guru Guru wird man berufen. Mit unerschütter- lichem Glauben will Trieb-Trommler Mani Neumeier das Flaggschiff der frühen Deutschrock-Jahre wieder flottmachen

am Rande des Märchenwaldes steht ein kleines, windschiefes Haus. Inmitten deutscher Beschaulichkeit ist hier ein magischer Trommler zuhause. der mit hypnotisierenden Beats die Stille des Odenwaldes stört. Vor vielen, vielen Jahren gründete er eine Band, die sich mit verqueren Platten („Der Elektrolurch“) und freakigen Konzerten einen respektablen Namen erspielte — und nun erneut Flagge zeigen will: Guru Guru heißt die Band, Mani Neumeier ist ihr Trommler. Noch immer lebt der 51jährige im 400-Seelen-Kaff Finkenbach, wo einst schon die Guru Guru-WG hauste. Während viele der ..68er“ in bürgerlichen Berufen ihr mittlerweile respektables Dasein fristen, hat Mani mit Achtstunden-Tag und Stechuhr noch immer nichts am Hut. Doch allzu viel Ruhe und Gelassenheit am Waldesrand will er sich dann doch nicht geben:“.Ständig hier zm sein, wäre ziemlich öde. aber ich habe noch ein Standbein in Zürich. Außerdem komme ich mit meiner Musik immer noch ganz giil rum.“

Guru Guru. 1968 in Zürich gegründet, gehörten zu jenen Bands, die vor über 20 Jahren teutonische Rockmusik

Mani Neumeier: Trommeln gegen Tran und Trend

vom Mief der angelsächsischen Kopien befreiten: Statt dreiminiitiger Pop-Nummern gab’s viertelstündige Psycho-Abfahrten: „Amon Düül waren die ersten, dann kamen wir, Embryo, Can und Tangerine Dream. “ Die Kontakte zwischen den „Musikerkollektiven“ beschreibt Neumeier als familiär: „Wir zogen mit dem Bus durch die Lande und hausten mal bei den Düüls in Herrsching, mal in Berlin bei Tangerine Dream.“ Er lacht. „Das kannste dir heute gar nicht mehr vorstellen. „

Ebensowenig in die Vorstellungswelt der 90er Jahre paßt die Tatsache, daß Konzerte als Transportmittel studentischer Polit-Agitdtion galten: „Zwischen den Stücken kamen oft SDS-Leute ans Mikro und sagten, was sie zu sagen hatten. Manchmal hat das zwar genervt, aber wir ließen sie gewähren. „

Auf dem Weg zum Ruhm wurde die Schweiz für die Pionier-Gurus alsbald zu eng: „Irgendwann mußten wir uns ein größeres Aquarium zulegen und gingen nach Heidelberg, das damals wie Klein-Kalifomien war. Später zogen wir dann in die Provinz, um nicht den gleichen Fehler zu machen wie Amon Düül: Vor lauter Besuch kamen die zu nichts mehr.

außer höchstens noch zum Rauchen. „

Eine Doping-Kontrolle hätte damals fatale Folgen gehabt: In einer Ära, in der Acüid noch mit nur einem ,.i“ geschrieben wurde, intensivierte man so manche Live-Show mit mehr oder minder legalen Substanzen. „Wenn es auf der Buhne dann so richtig losging, trennte sich das Publikum: Die eine Hälfte ging, die andere rückte ganz nah an die Bühne. Das war eben richtig herber Underground. „

Von publikumswirksamer Anpassung will Neumeier immer noch nichts wissen: „Wir könnten Guru Guru auf Richtung Deutschrock trimmen, schließlich will ,Großdeutschlund‘ deutsche Texte. Ich scheiß aber auf den ganzen Kram. Wir wollen nicht diesen marktgerechten Mist. Wir brauchen ja auch gar nicht alle, wir brauchen nur die, die gemütlich einen rauchen und die Schnauze voll haben von der Gehirnwäsche. “ Neid auf kommerziell erfolgreiche Kollegen ist dabei kein Thema, wenn Neumeier die musikalische Lage der Nation bedauert: „Entweder bist du dick drin und wirst abgemolken, oder du bist draußen. „Dazwischen gibt es nichts.“

Daß man es nicht jedem recht machen kann, durfte er schon früh am eigenen Leibe erfahren: Vor einem Vierteljahrhundert lobte ihn Jazz-Chronist Joachim Behrendt als „größte rhythmische Begabung des europäischen Free-Jazz“, doch in späteren Publikationen schwieg er den Trommler schlichtweg tot. Stein des Anstoßes war Neumeiers Wechsel ins Rocklager. Nach intensiven Lehrjahren als Jazzer vollzog er 1967 in Zürich die Wende: raus aus dem intellektuellen Mief der Jazzkeller, rein in bunte Klamotten.

„Außerdem war das Rockpublikum viel interessanter. Keine Jazz-Freaks mit komischen Barten, dafür wesentlich mehr Frauen.“

Im Feuer hat Neumeier augenblicklich vier Eisen, angefangen mit seinen runderneuerten Gurus: Nach mehrjähriger Pause präsentiert sich die einstige Kultband kompakter denn je, mit von der Partie sind die Neuzugänge Razem Rubel sowie Luigi Archetti. Die solistischen Endlos-Abfahrten gehören der Vergangenheit an, ihr neuestes Album“.Shakewell“ ist zeitgemäßen Hörgewohnheiten mehr als zugänglich.

Improvisation spielt in Manis Musik trotzdem die zentrale Rolle. Dr. Drum läßt auch in gereiftem Alter nichts anbrennen und ist, was Technik und Individualität angeht, im deutschsprachigen Raum konkurrenzlos. Die Cyber-Punk-Formation „Blaue Hirsche“ zeigt den Trommel-Guru von seiner jazzigen Seite: „Damit kann man auf Jazz-Festivals die Free-Jazzer argem. Es ist sehr schonungslos. “ Der Fauna namentlich zugetan sind auch die 2/3-Gurus „Tiere der Nacht“: Im Duett mit Luigi Archetti — der das „sonnige Gitarrentier“ herausläßt — spielt sich Neumeier mit exotischem Schlagwerk durch Rock, Jazz, Ethno und Avantgarde. Das erstaunliche Debüt wurde soeben auf einem Schweizer Mini-Label veröffentlicht. Noch in Planung hingegen ist ein reines Percussion-Album.

Fremdländische Trommeln haben im Hause Neumeier Tradition, doch mit einer Konservatoriumsmentalität, die auf Authentizität um jeden Preis fixiert ist, hat der Drumstick-Champion nichts am Hut: „Ich spiele auch afrikanische Rhythmen auf indischen Trommeln und umgekehrt. Was mich interessiert, ist der Welt-Beat. „