Der direkte Weg
Musiker ohne Plattendeal können ihre Songs nun auch bei großen Download-Shops verkaufen. Dank Vermittlern wie TuneCore und iMusician Digital.
Unabhängige Künstler und Bands können nun ihre Musik gegen eine relativ geringe Gebühr weltweit anbieten. Da sie die Rechte an ihren Songs behalten und die jungen Unternehmen wie TuneCore und iMusician Digital, die den digitalen Vertrieb übernehmen, keine Exklusivität beanspruchen, nutzen in den USA bereits prominente Musiker das System. „Für eine Band wie Tapes ‚N Tapes, die keinen Plattenvertrag hatte, war TuneCore die perfekte Wahl“, sagt Keri Wiese, die Managerin der in der Indieszene überaus beliebten Band aus Minneapolis. „Da mussten wir nicht lange nachdenken. Für ein kleines Label oder eine Band ohne Vertrag ist das ein großartiger Weg, um die Musik bei iTunes anbieten zu können. […] Wir haben uns nur ein bisschen Sorgen gemacht, weil TuneCore noch so neu war. Aber dann haben wir gesehen, dass Frank Black ihr erster Kunde war … Frank ist kein Dummkopf.“
Die Firma TuneCore, die auch schon zahlreiche Kunden aus Deutschland hat, arbeitet so: Künstler laden ihre Songs, die Liner Notes und das zugehörige Artwork bei www.tunecore.com hoch. Pro Album fällt jährlich eine Gebühr von 9,98 US-Dollar an, pro Song und Album eine einmalige Upload-Gebühr von 99 Cent. TuneCore macht die Musik bei Download-Stores wie iTunes, eMusic, Napster und anderen verfügbar und reicht die Verkaufserlöse zu 100 Prozent an den Künstler weiter. Gelingt es also einer Band, sich selbst durch Konzerte und Online-Promotion bekannt zu machen, ist dieser Service tatsächlich attraktiv. Die meisten Plattenfirmen nämlich behalten zwischen neun und 50 Prozent der Verkaufserlöse ein. In einigen Fällen – vor allem wenn das „Konto“ der Band bei ihrer Plattenfirma durch Studio- und andere Kosten im Minus ist – wird sogar noch weniger ausbezahlt: Die 70ies-Rockbands Cheap Trick und Allman Brothers verklagen derzeit SonyBMG, da sie angeblich nicht die vertraglich festgelegten 30 der 70 Cents bekommen, die iTunes pro eingenommenem Dollar an das Label zahlt, sondern lediglich 4,5. Ein großer Vorteil von TuneCore sei die Transparenz, sagt Firmengründer JeffPrice dem ME: „Du kannst online immer sehen, welche Läden deine Musik anbieten und welche Songs wo wie oft und zu welchem Preis verkauft wurden. Das Geld kannst du dir zu jeder Zeit an jedem Tag über PayPal oder per Scheck ausbezahlen lassen.“
Ahnlich arbeitet auch iMusician Digital: Das Unternehmen stellt einen Jahresbeitrag von 39 Euro in Rechnung, behält aber zusätzlich 15 Prozent der Verkaufserlöse ein. „Wir beliefern neben iTunes auch gezielt europäische Download-Shops wie Musicload, Virgin und Fnac“, sagt Managing Director Andrea Petricca. „Und wenn du dich als Künstleranmeldest, musst du gleich alle Informationen eingeben, die die zuständigen Verwertungsgesellschaften wie die GEMA benötigen – Publishing wird in den USA oft etwas salopper behandelt -, bei uns läuft das dann alles automatisch.“ Partner von iMusician ist Emergenza, der Veranstalter der großen Newcomerfestivals. Wem es gelingt, mit eigenen Songs 150 Downloads zu erreichen, erhält die Möglichkeit, einen Auftritt in der nächstgelegenen Stadt zu spielen. Bei 300 Tracks winkt ein Konzert außerhalb der Wohnregion, bei 500 im Ausland. Die Band zahlt nur die Anreise.
Den Service, die Songs unabhängiger Künstler bei den großen und kleinen Downloadshops der Welt anzubieten, bezeichnet iMusician Digital als „nächste Runde der digitalen Revolution“. Für Raphael Aguiar, der als Chef des digitalen Labels Freakout Records Kunde von iMusician ist, ist es lediglich eine „logische Folge der Entwicklung“. „Ich hab auf so was gewartet, da mein Label auf digitale Strukturen aufgebaut ist. Ich bin eh der Meinung, dass Plattenläden bald verschwinden werden“, sagt er. Die Frage, ob sich iMusician für ihn lohnt, beantwortet er positiv – wenn auch eingeschränkt: „Ja! Unsere Musik kann von fast überall auf der Welt gekauft werden, das war früher nur bei einem Major möglich. Aber finanziell? Nein! Obwohl der Preis fair ist – mein früherer Distribution-Partner hat für Online-Verkäufe 50 Prozent einkassiert.“