Der Chef der Virgin-Gruppe, Richard Branson, startete V2 Records 1996 als x-large Independent-Label. Und führte es – wen wundert’s -zum Erfolg.


Es war einer der wenigen schwarzen Tage im Leben des britischen Ausnahmegeschäftsmannes Richard Branson, als er 1992 seine geliebte Plattenfirma Virgin Music an EMI verkaufen musste. Der Milliardär, der seine unglaubliche Karriere im Alter von 19 Jahren mit der Eröffnung eines Plattenladens in der Londoner Oxford Street begonnen hatte, sah sich zu diesem Schritt gezwungen, um mit dem Verkaufserlös von über 800 Millionen Dollar seiner Fluggesellschaft Virgin Atlantic den Rücken zu stärken. Virgin Cola, die Virgin Megastores, eine Airline und über 100 weitere Unternehmen spendeten zwar Trost, doch Branson vermisste die Musik. So schmerzlich, dass er sich entschloss, nach Ablauf einer der EMI versprochenen Wettbewerbssperre wieder in das Business einzusteigen. Und so schuf der Visionär 1996 in London das Independent-Label V2, das in den letzten fünf Jahren einen Branson-typischen Aufschwung erlebt hat. „Gutes A&R und ein langfristiger Künstleraufbau sind der Schlüssel“, glaubt Willy Ehmann (39), der 1999 die Leitung der deutschen Tochterfirma in Berlin-Kreuzberg übernommen hat. „V2 hat einen kleinen, überschaubaren Stamm von Künstlern, die kommerziell erfolgreich und dennoch auf ihre Art alternativ sind.“ Mit viel beachteten Veröffentlichungen von Tom Jones (das Comeback-Album Reload erreichte in fast allen Ländern Mehrfach-Platin, der Nachfolger erscheint im Winter), den Stereophonics, Underworld, Elbow, Eskobar, Heather Nova und Aimee Mann hat sich V2 als Independent-Label weltweit einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. „V2 ist mit eigenen Niederlassungen auf den größten Weltmärkten vertreten“, so Ehmann, der 1997 das italienische Büro in Mailand selbst aufgebaut hat.

Ehmann ist Halbitaliener und brachte nach zwölf Jahren Sony Music das nötige Know-how mit, um einen neuen Markt zu erschließen. Zweieinhalb Jahre und einige Chart-Erfolge später kehrte er nach Deutschland zurück und zeichnete als Nachfolger von Patrick Orth in Berlin für den weiteren Aufbau des internationalen wie nationalen Künstlerstammes verantwortlich (darunter Miles, Das Department, Torch, Ian Pooley, Die Firma und Fader Gladiator). V2 operiert weltweit mit der überschaubaren Zahl von rund 60 verschiedenen Künstlern. „Somit können wir intensiv und langfristig an Karrieren arbeiten“, so Ehmann, der weiterhin die Verantwortung für das Italien-Büro trägt, den deutschen Markt aber als „noch attraktiver“ einschätzt. Einen Teil seiner Motivation scheint er heute paradoxerweise vor allem aus der fatalen Lage zu beziehen, in die sich die Plattenindustrie manövriert hat: „Das Kaufverhalten der Konsumenten hat sich gegenüber früher grundlegend verändert. Die Angebotspalette ist größer denn je, doch die Zahl der Intensivkäufer nimmt von Jahr zu Jahr ab. Dazu kommen die Verluste, die durch das CD-Brennen entstehen, so dass sich der Markt heute auf einem all-time Iow befindet. Es ist eine Herausforderung,jetzt neue Konzepte zu entwickeln, um aus der Krise zu kommen.“ Und so will V2 weiterhin an seinem Erfolgsrezept festhalten, neue, digitale Vertriebswege erschließen und noch konsequenter an der Entwicklung junger, international erfolgreicher Talente arbeiten. Denn „gute Musik gibt es nach wie vor“, so Ehmann zuversichtlich. „Künstler sind da, und das Talent ist da – man muss es nur erspähen, picken und aufbauen.“

www.v2music.com