Dennis Hopper


Multi-Talent Dennis Hopper: Regisseur, Alkoholiker, Kunstsammler, Drogenkopf, Photograph, Maler, Sadist, Oscar-Anwärter, Kneipier. Ach ja, Schauspieler ist er auch noch. Auch eine Zwangsjacke kann ihn nicht bremsen: Dennis Hopper gilt in Hollywood seit Jahren als Idealbesetzung für den psychopathischen Bösewicht - privat ist er nach Jahren der Exzesse eher ein cooler Geschäftsmann geworden.

Die Szene: eine knappstens bekleidete Erika Eleniak klettert schlammverschmiert aus einem Erdloch. Die Kamera wandert an ihrem Körper hoch. Schnitt. Großaufnahme von Erikas reichlich sichtbarem Busen. Dreharbeiten zur Fernsehserie ‚Baywatch‘? Weit gefehlt! Es ist ‚Chasers‘, ein billig gemachter B-Movie aus dem Jahr 1994. Regie Dennis Hopper.

Dennis Hopper? Der Mann bemüht sich seit 41 Jahren redlich, seine Karriere zu demontieren. Erst in letzter Zeit mißlingt ihm das gründlich. Im Alter von 59 Jahren beginnt Hopper seine x-te Karriere: bis Mitte Februar spielt er den Bösewicht in Kevin Costners 160 Millionen Dollar Debakel ‚Waterworld‘. Dann entschwindet er dem Wassergrab, fliegt nach Prag zur Premiere von ‚Easy Rider‘, eröffnet dort sozusagen mit Links noch eine Kunstausstellung seiner Werke, zurück nach LA, umziehen und ab nach Dallas zum nächsten Film. Ausnahmsweise mimt er da mal den Guten.

„Ich bin gar nicht scharf darauf, ständig den Killer zu machen“, entrüstet sich Dennis Hopper. „Aber irgendwie scheine ich für viele Produzenten die Verkörperung des Bösen zu sein. Ich lese jede Menge Drehbücher, bevor ich mich entscheide, und prinzipiell ist es mir egal, ob ich der Gute oder der Böse bin, aber irgendwie machen die Schurken eben mehr Spaß“, gibt er mit hinterfotzigem Lächeln zu.

„Vor Jahrzehnten prophezeite mir Horrorfilm-Legende Vincent Price eine Karriere als Ganove und Monster. Damals habe ich mich gewundert. Ich wollte viel lieber der Leading Man sein. Aber es stimmt schon: Ich sehe nicht sonderlich gut aus und habe keine romantische Stimme. Da bleiben eben meistens nur die bösen Rollen übrig.“

Selbst wenn Hopper nett ist auf der Leinwand, bleibt er, na sagen wir mal schillernd. Nicht jeder Vater küßt seine frischgebackene Schwiegertochter auf den Mund, leckt sich anschließend die Lippen und stöhnt: „Der Kleine hat recht. Sie schmeckt wie ein Pfirsich!“ So geschehen in Tony Scotts ‚True Romance‘, wo Dennis die knackige Schwiegertochter Patricia Arquette „probiert“. Ob das Improvisation oder eine Vorgabe aus Quentin Tarantinos Drehbuch war, will Hopper nicht verraten.

1994 war ein besonders gutes Jahr für ihn. Der Actionfilm ‚Speed‘ räumt im Sommer ab, Dennis als psychopathischer Bomber und Gegenspieler von Keanu Reeves. Das böse Grinsen gelingt ihm so teuflisch, daß er Lawrence Fishburne gerade noch rechtzeitig vor Beginn der Dreharbeiten die Rolle des Deacon im besagten ‚Waterworld‘ wegschnappt. Nicht untypisch für Dennis, daß es bei den Unterwasser-Dreharbeiten immer wieder zu technischen und personellen Schwierigkeiten kommt. Insidern zufolge sollen sogar die Fäuste geflogen sein.

Exzesse und Skandale verfolgen den wohl untypischsten Hollywoodstar seit dem Beginn seiner Karriere. Der in Dodge City, Kansas, als Bauernsohn geborene Hopper bekommt 1954 im Edel-Western ‚Johnny Guitar‘ seine erste Filmrolle, nachdem er sich vorher als Theaterdarsteller verdingt hatte. Erste Berühmtheit erlangt er als Messerstecher in ‚…Denn sie wissen nicht, was sie tun‘, dem Kult-Film mit James Dean. Dennis Hopper gehört in den soern zu den „Neuen Wilden“ Hollywoods, zusammen mit Dean, Anthony ‚Psycho‘ Perkins und Natalie Wood. An die 1981 ertrunkene Schönheit kann er sich noch bestens erinnern: „Natalie wollte eine Orgie feiern mit einer Badewanne voller Champagner. Sie zog sich aus, stieg hinein und fing an zu brüllen. Wir mußten sie wegen Kälteschocks ms Krankenhaus einliefern. Soviel zu unserer Orgie!“.

Hoppers erster Karriere-Anlauf endet 1958 mit Henry Hathaways ‚Schieß zurück, Cowboy‘. Dennis, schwer beeindruckt von seinem Kumpel James Dean, will eine Szene improvisieren, Hathaway die Rolle streng nach Drehbuch gespielt sehen. Nach der 78. (!) Wiederholung hat Hathaway die Szene endlich im Kasten – und Warner Brothers feuert Dennis hochkant am nächsten Morgen.

Frustriert zieht er nach New York, wo er seine Geliebte damit verblüfft, daß er gerne Zigaretten auf ihrer Haut ausdrückt, studiert am Actor’s Studio, heiratet Brooke Hayward und wird zum ersten Mal Vater. Den Lebensunterhalt verdient er sich als Fotograf. Mit Erfolg: seine Bilder erscheinen in Zeitschriften wie ‚Vogue‘ und ‚Harpers Bazar‘.

Durch Brooke lernt er Peter Fonda kennen, mit dem er zusammen nach Hollywood zurückkehrt. Für 340 000 Dollar machen die Beiden im Jahr 1969 ‚Easy Rider‘. DER Film der Sechziger spielt bis heute über 40 Millionen Dollar ein. Nicht schlecht für den Regie-Neuling Hopper. Universal Studios, beeindruckt vom ‚Easy Rider‘ Erfolg, heuern Hopper als Regisseur für ‚The Last Movie‘ an. Die wirre Story eines Filmteams in Peru schneidet er zwei Jahre lang zusammen. Man sieht dem Werk ungeheuren Alkohol- und Drogenmengen an, die Dennis in sich hineinzog. Die Jury des Filmfestivals in Venedig findet das filmische Chaos auszeichnungswert. Die Bosse der Universal Studios bleiben jedoch nüchtern und ziehen das Zelluloid-Desaster nach nur zwei Wochen aus dem Verkehr.

Dennis Hopper heiratet Michelle Phillips (die Sängerin der Mamas & Papas). Nach acht Tagen zerbricht die Ehe, Hopper verschwindet in die Wüste von New Mexico und dröhnt sich ein Jahrzehnt lang zu.

„Ich dachte damals, als Künstler müßte man ständig voll sein“, ärgert er sich heute über die verlorene Zeit. „So ein Quatsch. Ich habe meine besten Jahre mit Suff und Stoff kaputt gemacht. Nach ‚The Last Movie‘ bekam ich 12 Jahre lang keinen Job als Regisseur.“

Um über die Runden zu kommen, malt er. Er fotografiert für Drogenkumpel Ike Turner ein Album-Cover: Tina in Puschen bei der Hausarbeit, Ike am Klavier.

So sah es bei den Turner s zu Hause wirklich aus. Er nimmt alle Rollen, die er bekommen kann. ‚Der amerikanische Freund‘ und der abgekiffte Journalist in Coppolas ‚Apocalypse Now 1 bleiben nur seltene Glückstreffer. Freund Francis gibt ihm bei ‚Rumble Fish‘ sogar noch eine zweite Chance.

Doch Hoppers drittes Comeback beginnt erst wieder 1983 mit seiner Rolle als Psychopath Frank Booth in David Lynch’s ‚Blue Velvet‘.

„Da war ich schon im Entzug.“ erinnert sich Hopper. „Ich überzeugte David, daß ich Booth bin.“ Wohl mit den Gedanken an seine eigenen Zigarettenstummel spielte Dennis den sadistischen Perversen mit Gusto. Nur mit dem Entzug klappte es nicht so toll. 1984 drehte er voll ab -Halluzinationen, Einlieferung in die Psychiatrie. Das reicht ihm dann doch. Seit dem Aufenthalt ist er clean, sagt er.

Mit der ihm eigenen Intensität stürzt er sich auf die Ersatzdroge Arbeit. Mit ‚Colors‘ (einem Krimi über die Gangs von LA) gelingt ihm als Regisseur wieder ein Erfolg, Oscar-Nominierungen für seine Rollen als Basketball-Coach in ‚Hoosiers‘ und als böse Echse in „Super Mario Brothers‘ folgen, aber auch Fehlgriffe als Regisseur in ‚Hot Spot‘ mit Don Johnson und ‚Chasers‘ mit Baywatch’s Eleniak. Vincent Price’s Spruch bestätigt sich. Dennis segelt als Bösewicht vom ».1′ Dienst locker an Hannibal the Cannibal vorbei: in ‚Boiling Point‘, ‚Red Rock West‘, ‚Speed‘ und ‚Waterworld‘. „Ich gebe dem Bösen eine menschliche Seite. Das macht ihr soziopathisches Verhalten noch angsterregender.“ Die Rollen werden Frau Hopper Nummer Vier, Katherine LaNasa, zuviel. Nachdem sie in einem Ballett ihrer Truppe ein Tonband aus dem Hopper’schen Eheleben einspielt (Telefonsex mit Babysprache) verläßt sie den Schurken.

Dennis regelt derweilen sein Leben, denn Geld muß her – Hoppers Super-Haus in Venice Beach will bezahlt sein. Inmitten der übelsten Slums läßt sich der Exzentriker vom Edel-Architekten Brian Murphy ein Wellblechhaus bauen, angefüllt mit einer so exzellenten Kunstsammlung, daß das benachbarte Getty-Museum einmal jährlich seine Stipendiaten durchführt. Zusammen mit Alt-Freunden Peter Fonda und Country-Star Dwight Yoakam eröffnet er die Edel-Biker Kneipe ‚Thunderroad House‘ in West Hollywood, passend zur Gastronomie plant er einen zweiten Teil von ‚Easy Rider‘. Er bleibt so sauber, daß er bei der jährlichen Entzugsfeier zusammen mit Kollegen Rob Löwe, Ringo Starr, James Taylor und Jimmy Buffett beim dreitägigen Golfturnier Kohle für wohltätige Zwecke einspielt. Er wandelt ein altes Industriegebäude in Wilmington, North Carolina, in eine Theaterfabrik um, und erhält dafür rar gewordene staatliche Hilfe.

Trotzdem reichts noch zu Überraschungen: Kumpel Fonda wundert sich über Hoppers . Werbearbeit für Nike Sportschuhe: „Ich hätte nicht gedacht, daß ich lange genug lebe, um Dennis in einer Fernsehwerbung zu sehen, und daß ich es je erlebe, daß er Golf spielt, die Konservative Partei wählt und am kleinen Finger einen Brilliantring trägt.“