Deftones: Einer gegen alle


Bei den Aufnahmen zum neuen Deftones-Album saturday night wrist mutierte Sänger Chino Moreno zur Diva.

Bob Bender hat schon einiges erlebt. Der grauhaarige, mit seinem Walkie-Talkie verwachsene Mittfünfziger war Security-Chef bei Kiss und Metallica, die er vor aufdringlichen Fans und nervigen Journalisten schützen musste. Aber einer wie Chino Moreno (bürgerlich: Camilo Wong Moreno) ist ihm noch nicht untergekommen. Der 33-jährige Kalifornier chinesisch-mexikanischer Herkunft geht mit ausgeschaltetem Handy shoppen, wenn er eigentlich einen Interview-Termin hat. Dass der Gesprächspartner eigens aus Deutschland ins nasskalte Detroit gereist ist, macht keinen Unterschied – Chino taucht nicht auf, und Bob ist das unendlich peinlich.

Auch einen Monat später, beim Interviewtermin im Zuge des Deftones-Konzerts im Kölner E-Werk, ist der Sänger nicht zugegen. Erst verpasst er seinen Flieger, dann verschanzt er sich im Hotel, und nach dem Soundcheck spielt er den Unschuldigen: „Davon wusste ich nichts- das ist wirklich ärgerlich.“ Bob verdreht die Augen, und die restlichen vier Deftones – Drummer Abe Cunningham, Gitarrist Stephen Carpenter, Keyboarder Frank Delgado und Bassist Chi Cheng schütteln den Kopf. „Wir hätten uns fast getrennt, weil sich Chino bei den Aufnahmen wie ein Arschloch verhalten hat. Erst hat er den Produzenten gefeuert, und dann ist er vier Monate mit seiner Zweitband auf Tour gegangen ohne Bescheid zu sagen“, motzt Cheng.

Moreno will von den Beschwerden der Kollegen nichts wissen: „Die machen es sich einfach“. setzt er zum Rundumschlag an. „Wer hat denn die neuen Songs geschrieben? Immer verlassen sie sich auf mich, statt selbst aktiv zu werden. Gerade am Anfang der Aufnahmen war das unerträglich. Ich hatte gerade eine Scheidung hinter mir, der Produzent war Mist, und die andereri haben mich einfach hängen lassen – ich musste da raus.“ Also hat er den legendären Produzenten Bob Ezrin (u.a. THE wall) geschasst und sich mit seinem Nebenprojekt Teams Sleep vergnügt. „Dann gab es ein Treffen in einem Hotel in L.A., wo sie drohten, mich aus der Band zu werfen. Unglaublich! Ich habe ihnen erst mal den Kopf gewaschen und sie gefragt, ob sie überhaupt noch wüssten, wofür wir stehen, und ob sie das fortsetzen möchten. Darauf hieß es: ‚Ja, wir wollen das auf jeden Fall weitermachen.‘ Ab da ging es wieder.“

Doch der Konflikt hat Spuren hinterlassen. Der Umgang der Deftones untereinander ist distanziert bis unterkühlt. Beim Soundcheck mutiert Chino dann zum großen musikalischen Direktor, der an allem und jedem rumnörgelt. „Ich hab‘ eine klare Vision, wo ich mit dieser Band hin möchte, und die lasse ich mir von niemandem ruinieren“, verlautbart der Mann mit der Morrissey-Tolle. Die trägt er übrigens nicht von ungefähr: Der zweifache Vater zählt sich zu den größten Smiths-Fans, schwört, mindestens einmal täglich einen Song seiner Idole zu hören, und hat auch sonst ungeahnte 8os-Affinitäten: „Ich stehe auf Sachen wie Duran Duran, Sade und Culture Club. Mag sein, dass das komisch klingt, aber das waren tolle Künstler mit tollen Songs.“ Mit 13 fand er aber auch das Outfit von Boy George klasse – und so zog er sich eines Tages an wie dieser: „Es war ein Halloween-Outfit. Zum Glück wusste an der Schule niemand, wen ich darstellen wollte – sonst hätten mir harte Zeiten ins Haus gestanden.“

Ähnlich wie etwa die nächsten Monate mit den Deftones – und das, obwohl es für die Band momentan besser aussieht als je zuvor: Nach 16 Jahren Harmonie und Krach und erstaunlichem Erfolg mit all dem hatten sie von ihrem Label einen kreativen Freifahrtschein bekommen. So wurde SATURDAY NIGHT WRIST das Album, das die Deftones ein für allemal vom leidigen Nu-Metal-Etikett befreien dürfte – weil es viel weiter führt. „Wir wurden ständig mit irgendwelchen stupiden Bands verglichen, die uns doch nur kopierten. Idioten wie Limp Bizkit. Aber die sind Schnee von gestern, und wir sind immer noch da.“

Was Moreno und seine Jungs demnächst on tour ausgiebig zelebrieren wollen. Danach soll es eine neue Platte von Team Sleep geben. Oder einen Ausflug zum Film: „Das würde mir Spaß machen: Bilder vertonen. Irgendwann bin ich eh zu alt, um jeden Abend auf der Bühne rumzuhüpfen. Dann wäre das genau das Richtige.“ Zumal Chino Moreno dazu niemanden brauchte. Keine Band. Keinen Bob. Nur sich selbst.