Deborah Harry


Die blonde Göttin kehrt auf die Pop-Erde zurück, doch die Kirche ist auch nicht mehr das, was sie einmal war: Umwabert von Tortilla-Dämpfen (das Borderline befindet sich im Keller eines mexikanischen Restaurants) zelebriert die Traumfrau mit der unerträglich lakonischen Stimme den fünften von insgesamt sechs Auftritten in einem Club von der Größe eines Badezimmers. Macht nichts – die Bühne, nicht viel größer als eine Badematte, wird von hingerissenen Anhängern mit Blumen übersät.

Für Deborah Harry, First Lady unter den Wasserstoff-Blondinen und Vorbild für so viele englische Trash-Pop-Mädels der späten Achtziger (Transvision Vamp, Primitives. Darling Buds und wie sie alle heißen), sind dies die ersten Konzerte in England seit Jahren und zugleich das Abschlußtraining für eine große Tour, auf der die Werbetrommel für das neue Album DEF DUMB AND BLONDE gerührt werden soll. Ein perfekter Titel, so selbstironisch-witzig wie blöde, der nahezu alles umreißt, was Blondie, Deborah Harrys New-Wave-Band aus den Siebzigern, so unwiderstehlich gemacht hat.

Sieht fast so aus, als sei der selbstironische Teil der Gleichung Chris Stein zuzuschreiben, ihrem langjährigen Freund und Mitstreiter, der durch eine schwere Krankheit und die dadurch notwendigen Krankenschwester-Dienste wohl auch Anlaß für Deborahs Verschwinden aus der Musikszene war. Tisch und Bett teilen die beiden mittlerweile nicht mehr, wohl aber die Bühne. Stein, ein wenig pausbäckiger und langhaariger als früher, spielt Gitarre und lächelt väterlich. Er scheint von ihrem Anblick ebenso fasziniert zu sein wie der Rest des Publikums, obwohl sie kaum mehr tut als dazustehen und mit fast ausdruckslosem Gesicht zu singen.

Die Band hat, alles in allem, mehr Saft als Blondie zu ihren besten Zeiten (Geschichte wird im nachhinein gerne umgeschrieben; Blondie, so gut sie auch waren, hatten live nie einen besonders großartigen Sound), so daß alte Stücke wie „Dreaming Is Free“ oder „Touched By Your Presence Dear“ nun wuchtiger und rockiger daherkommen.

Mit Ausnahme des neuen drollig-naiven Songs „Bright Side“ (geschrieben für den Film „Wiseguy“, in dem sie mitspielt) und dem ekstatisch-fröhlichen „The Tide Is High“ hat sie den Kleinmädchen-Stil vergangener Tage durch eine tiefere, fraulichere Stimmlage ersetzt, die besser zu dem funkigeren, rockig-tanzbaren neuen Material paßt.

Und die alten Sachen? „Rapture“ (mit dem gerappten Mittelteil) ist einfach wundervoll, „Call Me“ und „Heart Of Glass“ werden mit den Jahren immer besser. Genauso wie die Sängerin selbst. Das meint zumindest das Publikum, das seinen Star erst nach zwei Zugaben widerstrebend ziehen läßt.