Fashion Killa

David versus Goliath: Wo Hermès alt aussieht


Alles von der Kunstfreiheit gedeckt: Hippes Label ärgert Luxuskonzern. Die Stil-Kolumne von Jan Kedves.

Zum Jahresende vergeben wir hier den mit null Kohle, aber extrem viel Respekt dotierten Preis für den ausgebufftesten PR-Stunt in der  Mode 2023. Und zwar geht er an das Label Namilia. Das ist bei Stars wie Cardi B, Arca und SZA beliebt und hat es geschafft, mit seiner im Juli auf der Berliner Fashion Week präsentierten Sommerkollektion 2024 – Titel: „In Loving Memory of My Sugar Daddy“ – monatelang im Gespräch zu bleiben.

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Weil Hermès nach der Schau sofort eine Unterlassungsaufforderung schickte. Was Namilia über ihre Socials sofort publik machten. Auch in der Mode liebt man ja eine gute David-vs-Goliath-Story, und wenn ein fast 200 Jahre altes Pariser Luxushaus seine Rechtsabteilung gegen ein vergleichsweise kleines, hippes, sexpositives, gender-non-conforming Gen-Z-Label aufmarschieren lässt, dann fiebert man mit.

Wie respektlos! Wie punkig!

Was war geschehen? Nan Li und Emilia Pfohl, die Namilia-Gründer:innen, hatten in ihrer Kollektion diverse Insignien der legendären und schweineteuren Birkin-Bag von Hermès zitiert. Deren obere Partie – goldenes Vorhängeschloss, goldene Schnalle, baumelnder Leder Anhänger – dient in ihrer Kollektion als Form für ultraknappe Tops, Corsagen und Miniröcke, auch als Applikation auf Strapshaltern. Dazu auf Lackleder und Mesh getextete Schimpfwörter wie „Slut“, „Schwein“ oder „Trash“. Wie respektlos! Wie punkig!

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Vier Tage nach der Schau starb die echte Jane Birkin, die der Tasche einst ihren Namen gab, was natürlich in keinem Zusammenhang steht. RIP Jane. Hermès jedenfalls tappte wie geplant in die Falle, und Namilia kokettierten auf Instagram: „Wir fühlen uns geschmeichelt, von Hermès überhaupt wahrgenommen zu werden“. Die Sache landete vor dem Landgericht Frankfurt. Das wies Ende September die einstweilige Verfügung aus Paris ab und entschied, dass die Namilia-Kollektion durch die Kunstfreiheit gedeckt ist.

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Natürlich darf sie nie verkauft werden, denn das wäre neben der künstlerisch-kreativen dann auch eine kommerzielle Nutzung der Birkin Ähnlichkeit. Aber Einzelteile an Stars ausleihen? Und dann Fotos davon übers gesamte Internet streuen, zum Beispiel wie Christina Aguilera den rosafarbenen Namilia-Birkin-Strass-Minirock trägt? Das ist weiterhin erlaubt. Namilia haben so – man darf es wohl hineindeuten – genau das erreicht, was sie mit ihrer Kollektion erreichen wollten: massig Aufmerksamkeit zu generieren, und dabei die Sympathien kreativ Denkender einzusammeln, die, wie sie, das superrestriktive Markenschutzgehabe alter Luxusmarken für tendenziell überzogen halten. Bravo!

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 12/2023.