Das Hübsche verhunzen


C’mon heißt das neue Album von low, aber der Aufforderung kann nicht mal die Band nachkommen. Sänger Alan Sparhawk ist müde.

Einen eher schläfrigen Eindruck macht Alan Sparhawk an diesem Nachmittag. Die Lider hängen schief, der Blick mäandert durch den Raum und die Antworten kommen in Zeitlupe. Vielleicht liegt es an der Reiserei, schließlich ist er schon seit Tagen unterwegs, um C’mon, das neue Album seiner Band Low, zu bewerben. Vielleicht ist das Haschisch verantwortlich, dem er, wie er freimütig zugibt, viel zu regelmäßig zuspricht. Vielleicht ist aber auch das generelle Schlafdefizit schuld, dass Sparhawk vor sich her schiebt, seit er Vater ist.

Was auch immer der Grund ist, Sparhawks somnambule Stimmung könnte kaum passender sein, um über C’mon zu sprechen. Denn schließlich beginnt das Album mit einem wundervollen Song, der „Try To Sleep“ heißt. Es ist eines dieser Duette, dank denen Low zur Lieblingsband aller melancholischen Träumer aufgestiegen sind. Die Stimmen von Sparhawk und seiner Frau Mimi Parker, die gerade zu Hause in Duluth, Minnesota, die beiden Kinder Hollis, 11, und Cyrus, 6, hütet, schwingen zusammen in einer zeitlosen Ode auf den körperlosen Zustand zwischen Wachen und Schlaf. Ein wenig später singen die beiden noch der „Nightingale“ ein Trostlied, die Nachtigall möge doch bitte nicht weinen.

Es ist also alles beim Alten bei Low. Und dann doch auch wieder nicht. „Ich neige dazu, etwas ein klein wenig verhunzen zu müssen, wenn es zu hübsch geworden ist“, murmelt Sparhawk über den Tisch, während seine Augen irgendeinen fernen Punkt fixieren, „diesmal hatte ich diese Tendenz nicht.“

Tatsächlich fällt auf, dass auf C’mon – zumindest im Vergleich zum eher aus der Reihe tanzenden Vorgänger Drums And Guns – nicht nur von politischen Aussagen Abstand genommen wird, sondern auch der Gebrauch von elektronischen Beats weitgehend zurückgenommen ist. Stattdessen setzen Gitarrist Sparhawk, Trommlerin Parker und Bassist Steve Garrington vornehmlich auf ihre angestammten Instrumente und eine gewaltige Dosis Hall, die die schlaftrunkenen Songs endgültig ins Traumland befördern.

Er wünsche sich sowieso, sagt Sparhawk, die Musik von Low würde den Charakter von Dub entwickeln. Über den Vorschlag, Low demnächst von Lee „Scratch“ Perry produzieren zu lassen, muss er laut lachen. Dub, Reggae, Dubstep, jetzt ist er richtig wach, das sei momentan sowieso die Musik, die er am liebsten höre. Natürlich, Low würden vollkommen anders klingen, aber es wäre schön, wenn sie schaffen würden, was Dub gelingt: die Zeit zum Stillstand bringen. Dann, das bleibt allerdings unausgesprochen, wäre vielleicht auch mehr Zeit übrig, um endlich auszuschlafen.

Albumkritik ME 5/11

Biografie

Die Slowcore-Rocker Low wurden 1993 in Duluth, Minnesota gegründet. Seitdem bildet das Ehepaar Sparhawk/Parker das Zentrum, während die Bassisten kommen und gehen. Alan Sparhawk wuchs in Utah als Mormone auf, Parker trat zu dem Glauben über. „Ich bin gläubig“, sagt Sparhawk, „aber kein sehr guter Mormone.“ Er trinkt zwar keinen Alkohol, aber „raucht eine Menge Pot“. Das 2007er-Album der Band, Drums And Guns, war Platte des Monats im Musikexpress.