Humor-Terror 2000: Eine Nation im Würgegriff des Frohsinns.
„Die Deutschen haben keinen Humor“: Längst mag von diesem alten Klischee, das fast ein Fakt war und das man so schön als hilfreichen Leitsatz hätte stehen lassen können, keiner mehr etwas wissen. Als gelte es, Jahrzehnte der Verklemmung gewaltsam aufzuarbeiten, wird die Republik seit ein paar Jahren von einer Welle des Spaß-Terrors überrollt, die auch 2000 nur hie und da Anstalten machte, abzuflauen: Klar, die „Wochenshow“ verliert Zuschauer, seit die halbwegs witzige Anke Engelke im Mai ausstieg, um mit ihrer Sitcom „Anke“ Schiffbruch zu erleiden (die zweite Staffel wurde zwecks Überarbeitung verschoben), doch schon drohen Ingolf Lück und der unfassliche Bastian „Brisko“ Pastewka (sein – bisher gottlob einziger – Alleingang „Briskos Jahrhundert-Show“, ließ Mike Krüger wie einen Titanen des Hintersinns aussehen) mit Solo-Aktivitäten. „Anarcho“ Ingo Appelt mit eigener Show (Kein Blumentopfgewinn ohne Tabubruch!), der Quatsch Comedy Club mit seinen grimassierenden Insassen (Piet Klocke! Einen Therapeuten!), Switch, Bully, Erkan & Stefan, Atze Schröder, voll krass, Hape Kerkelings 348. Comeback, Raab beim Grand Prix, die Musiksender halten sich frechdachsige Selbstdarsteller wie Schlegl, Ulmen und Ruf- auf allen Kanälen springen einem die Einpeitscher der Ablachkultur mit nacktem Arsch ins Gesicht, dass man schier depressiv werden möchte. „Die Dosis macht das Gift“, sagt der alte Römer und „Weniger ist mehr der moderne Phrasendrescher. „Witzischkeit bis der Arzt kommt!“ aber kreischt das Prinzip von Angebot und Nachfrage, und das gilt es, zu Tode zu reiten. Darum gibt es Stefan Raabs „TV Total“ neuerdings auch vier- statt einmal die Woche. Das ist ja eine über weite Strecken sehr spaßige Sendung, aber auf täglicher Basis? Dass dem mithin genialen Prankster Raab letztendlich ja auch jedes Mittel recht ist, bewies er zuletzt wieder mit dem schwachen, aber wohl folgerichtigen Schritt, es den Ouoten-Heinzen von Big Brother gleich zu tun und dem doof tuenden Westerwelle auf seinem Anbiederungsfeldzug ein Forum zu bieten. Bloß keinen Brüller auslassen. Nein? Oh bitte: Lasst es uns 2001 gemeinsam versuchen.
