Cypress Hill aus L.A.


Weder Gangsta noch Mainstream: Zwei Kubaner und ein Italiener spielen Hasch-den-Rap.

Bei Fototerminen haben sie die Schirmmützen tief ins Gesicht gezogen, vor Blitzlichtern zucken sie zurück wie der Vampir vor der Knoblauchzehe, und Fernsehkameras meiden sie wie der Teufel das Weihwasser. Bloß nicht auffallen, nicht wiedererkannt werden auf der Straße, keinen Ärger kriegen im Latino Viertel von Los Angeles, wo jede Ecke von einer anderen Gang beherrscht wird.

B-Real alias Louis Freeze, 25 Jahre alt, und Sen Dog alias Senen Ryes, 28 Jahre alt, von der Rap-Band Cypress Hill wissen, wie das ist, wenn man den Kopf zu weit hervorstreckt — man kriegt leicht eins drauf. Zusammen sind die Exil-Kubaner aufgewachsen im Faustrecht-Dschungel der Slums, haben sich schon als Kinder an geheimen Orten versteckt und Gangs angeschlossen, bis B- Real bei einem Straßenkampf niedergeschossen wurde. Die Rettung in der Notaufnahme eines Krankenhauses kam sprichwörtlich in letzter Minute.

B-Real und Sen Dog können wahrlich ein Lied singen von der alltäglichen Gewalt. Und das tun sie denn auch. Ihr Meisterwerk „Black Sunday“, das sich bis dato drei Millionen Mal allein nur in Amerika verkaufte, ist so hart, daß es davon gleich zwei Versionen gibt. Die originale, will sagen kompromißlose für die Fans und eine entschärfte für die Radiosender. Die Schilderung ebenso hilf- wie sinnloser Aggression zieht sich wie ein roter Faden durch Songs wie „How I Could Just Kill A Man“ und „Hole In The Head“.

Keine Frage, hier sind keine etablierten Edel-Rapper am Werk, die sich gern zeitgeistig wild und ungehobelt gebärden, aber wohlgemerkt auch keine Uzi-schwingenden Gangsta. Der Sound von Cypress Hill ist Rebellion pur — kämpferisch, aufmüpfig und entschieden. Der Stil eine Mixtur aus afrikanischen, kubanischen und lateinamerikanischen Einflüssen. Eine Art musikalische Weltsprache, die von allen verstanden wird. Ebenso wie die unterschwelligen Botschaften. Als da sind: Wir sitzen alle im selben Boot. Aber es ist eine Galeere. Oder: Wer sich nicht bewegt, spürt auch seine Fesseln nicht.

Das Ganze genial zusammengemixt vom Italiener Muggs alias Larry Muggerod, 24 Jahre alt, der auch schon Größen wie Ice Cube, House Of Pain, Funkdoobiest und Whooliganz mit seiner Produktionsfirma „Soul Assassins“ auf die Sprünge geholfen hat. Zeitweilige Erlösung von den Übeln suchen B-Real und Sen Dog, beide bekennende Dope-Verbraucher, in jener Pflanze, die schon die Rasta-Welt benebelte. Marihuana als Notausgang aus der brutalen Wirklichkeit? Das Problem ist nur, daß auf jeden Rausch zwangsläufig die Ernüchterung folgt, auf jedes High ein Down. In ihren nächsten Alben wollen Cypress Hill deshalb nicht nur das Leben in den Gangs beschreiben, sondern auch die Gründe, die Kids in die Fänge der Banden treibt.

„Nur weil ich mit meinem Vater nicht klar kam, trieb ich mich schon mit sieben Jahren lieber auf den Straßen nun“, erzählt B-Real. „Aber aufunsern Straßen gehen so viele Kids kaputt. Sie werden von der Gesellschaft regelrecht verheizt. Viele meiner Freunde haben dran glauben müssen.“

So weit werden es Cypress Hill hoffentlich nicht kommen lassen. B-Real hat sich vom ersten großen „cash flow“ ein Haus gekauft. Da lebt er nun mit seiner Mutter, seinen Schwestern und weiteren Verwandten. Ganz wie er sich das als kleines Kind schon immer erträumt hatte.