Popkolumne, Folge 213

Creature Horror, Team Scheisse und ein weinender Böhmermann: Volkmanns Popwoche im Überblick (mit Interview!)


Da wird doch Judith Holofernes in der Pfanne verrückt. Auf ihrer neuen Telefonnummer-Platte covern Team Scheisse einen Wir-Sind-Helden-Klassiker und pusten uns AJZ-Sternenstaub ins Gesicht. In der aktuellen Popkolumne befragt Linus Volkmann die verhaltensauffällige Bremer Band, die jüngst noch Die Toten Hosen besiegte (im Tischtennis). Dazu noch Lia Şanin und der Kokainbär.

 

We are family: Team Scheisse

-„Wird wahrscheinlich wieder kompletter Müll werden, der klingt wie von einer Schülerband an einem Nachmittag ausgedacht (und aufgenommen).“

-„Sehr gut! Da freue ich mich drauf!“

[Zwei aufeinander bezugnehmende Usermeinungen. Gefunden bei den Kolleg:innen von Plattentests.de unter der Ankündigung zu einer zweiten Team-Scheisse-LP]

Schön am Kamin sitzen, den Weinbrand ins bauchige Glas füllen, überschüssigen Schorf von der Haut entfernen, die Katze anlächeln und auf dem alten Plattenspieler von Oma Hans eine fetzige Scheibe auflegen. Das ist der Punk der späten Jahre und so erlebe ich nun das langerwartete zweite Album von Team Scheisse aus Bremen (und Erfurt). Ja, es ist wahr, ein zweites Album erscheint diesen Freitag (24. Februar 2023)! Wie das genau heißt? Nun, ich könnte noch mal mühsam aus dem Fauteuil aufstehen und die titelgebende Telefonnummer genau abschreiben, aber würdet ihr sie euch wirklich merken? Habe ich mir gedacht. Insofern begnüge ich mich mit jenem Hinweis, dass dieses Album benannt ist nach einer Nummer mit Bremer Vorwahl (0421). Denke, man kommt im Plattenladen auch weiter, wenn man sie nicht genau memoriert vorträgt, sondern das ganze Dilemma irgendwie umschreibt – und sich dabei an der Kasse errötet für die exzentrische Band entschuldigt.

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EIN SCHEISSBLICK ZURÜCK

Ende 2021 dreht sich mein Leben fast vollständig um Team Scheisse, da ich ja auch keine Kinder habe oder einen echten Beruf abseits dieser Kolumne. Ich höre ununterbrochen die guten Songs von „Ich habe dir Blumen von der Tanke mitgebracht (Jetzt wird geküsst)“ und das sind wirklich sehr viele. Das Hochgefühl, dass das Piepgeräusch eines Pfandautomats auslöst, wird hier zum Sinnbild vom kleinen prekären Glück. Man kapiert es sofort. Und alle, die ich kenne, fühlen diese Platte, alle wollen auf eines der gar nicht mal so vielen Team-Scheisse-Konzerte, die fürs Jahr 2022 in Aussicht gestellt werden. Die Tour ist dann auch komplett ausverkauft und das Meme-Internet läuft voll mit immer witzigeren Variationen zu Themen wie Kaufhausdetektiv, Edeka oder Erfurt. Das meiste wird dabei von Fans selbst ausgedacht. User generated Aufregung. Die Band befeuert den eigenen Hype neben ihrer bloßen Existenz nur noch mit diversen Videoclips. Die vielarmige Story von Team Scheisse wird zu einem schönen Corona-Märchen inmitten der sonst eher genreübergreifenden Tristesse, die in der Popkultur gerade vorherrscht.

Ohne diese Band kannst Du 2021 halt vergessen

TEAM HIER UND JETZT

Jetzt geht wieder alles von vorne los. Bands leben in Zyklen. Dieser Gesetzmäßigkeit kann sich auch ein so erfrischendes Phänomen wie Team Scheisse nicht entziehen. Was soviel heißt: Neue Songs, neue Platte, nächste Tour, das Interesse der Fans wieder neu anpusten. Einen derartigen Jumpstart, wie er hier einst Ursprung war, den kann man allerdings nicht wiederholen. Es ist eben nicht jeden Tag Silvester. Dass Team Scheisse sich, so sie es denn wollen, allerdings als geile Band im hiesigen Punk-and-more-Zirkus etablieren können, das steht außer Frage.

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Nach einer Zwischendrin-Single mit „Wetten dass…?“ als Hauptmotiv erscheint nun also das neue Album mit der Telefonnummer. Auch wenn man mittlerweile vorbereitet ist auf die überschnappende Bremer Musikgruppe, hält es immer noch Erstaunliches und Überzeugendes bereit: „Schmetterling“ (siehe oben) ist beispielsweise ein Knaller, genau wie „Elfmeterschießen“, „Alles was brennt“ und dieses halbe Wir-Sind-Helden-Cover „Vorratskammer“. Aber klärt selbst, was die neuen Stücke für euch sein mögen, ich bin dahingehend nur ein Scharnier. Und freue mich dabei, wie schon bei „Tanke“ auch zu dieser Platte erneut ein kleines Interview mit der Band anzubieten.

DISCLAIMER

Team Scheisse sind eine Band, die sich nicht unbedingt damit aufhalten muss, auf Fragen 1:1 zu antworten. Ich bitte dies zu bedenken, wenn ihr die folgenden O-Töne betrachtet.

Ob Sänger Timo wirklich mit Jan Böhmermann zusammengearbeitet hat… es ist wegen der beiderseitigen Bremen-Verbindung durchaus denkbar, aber nachweisen konnte ich es nicht. Nun, spätestens wenn Böhmermann demnächst bei Team Scheisse mal wieder einen seiner berüchtigten Gastsängerauftritte geben sollte, dürfte es geklärt sein. Ansonsten wünsche ich allen viel Glück mit dem Album, das den Titel trägt „0421 241 92799“ (habe die Nummer jetzt doch noch mal nachgeschaut, so geht #journalismus heute).

Team Scheisse im Interview: „Dann stellen wir die Durchwahl zum Verfassungsschutz Thüringen um“

Die Team-Scheisse-Band-Konstellation fand sich erst während Corona – zum Teil kanntet ihr euch in echt gar nicht. Ihr gingt als Gegenteil einer eingeschworenen Gang auf Tour. Hattet ihr Sorge, ob es überhaupt harmoniert – und wie habt ihr den Team-Spirit unterwegs erlebt?

TEAM SCHEISSE: Simon ist immer im eigenen Auto gefahren und hat generell nicht so Bock auf diesen Klassenfahrtbumms. Was als Schlagzeuger voll okay ist, solange er irgendwie seinen Job macht. Hannes ähnlich, der redet nicht viel mit der Band. Er schreibt nur noch die Songs und kassiert Tantiemen. Das klingt jetzt alles total furchtbar, aber am Ende sind die Stücke immer fertig produziert, bevor es auf Tour geht – von daher kann jeder super zu Hause üben. Proben und diese ganze dusselige Die-Jungs-hängen-zusammen-im-Proberaum-ab-Gedöns kann man sich dann einfach sparen. Wir sind tatsächlich am Ende einfach auch ’ne Firma. Also könnte besser sein, aber die Maschine läuft auf ihre Art.

Mir ist ein Team-Scheisse-Konzert im Gedächtnis geblieben, das ich gar nicht selbst besucht habe. In Kiel spieltet ihr in einer Halle vor gefühlt hunderttausend Leuten (die teilweise saßen) als Opener der Toten Hosen – wie hat sich so ein Event für euch angefühlt?

Die Hosen waren privat ganz anders, als man sich das vorstellt. Die Begegnung war auf jeden Fall ein Erlebnis. Das Konzert war nicht so spannend, aber die ganze Nacht danach legendär. Die Hosen sind wie wir begeisterte Tischtennisspieler, aber ihr Alter macht ihnen zu schaffen und nach circa sechs Stunden hatten wir ihnen das Doppelte unserer Gage abgenommen.

Eure zweite Platte trägt eine Telefonnummer mit Bremer Vorwahl als Titel – was hat es damit auf sich? Ich telefoniere sehr ungern und habe aus Angst bzw. Ekel nicht angerufen. Bin aber gerade deshalb sehr neugierig!

Keine Sorge, es nimmt keiner ab, kannst ruhig anrufen. Aber musst du jetzt machen. Ab dem 24. Februar (Album-Release) stellen wir um auf die Durchwahl zum Verfassungsschutz Thüringen.

Es gibt den Song „Jan Böhmermann weint“, erinnert mich vom Titel natürlich erstmal an „Derrick weint“ von Bernd Begemann. Bei eurem Stück habe ich mich gefragt, ob das – so lese ich es – eine Hommage an ihn ist? Was schätzt ihr an ihm besonders? Oder ist es ein Diss? Dann: Was hasst ihr an ihm bis aufs Blut?

Jan hat den Text selber geschrieben. Unser Sänger Timo kennt Jan ja noch aus Schulzeiten. Funfact, die beiden hatten sogar mal zusammen bei Radio Bremen in derselben Show gearbeitet. Es hat sich da schon so eine Art Freundschaft entwickelt. Ist aber auch schwer zu sagen, selbst wenn man so mit dem redet, kommt der halt nie aus seiner Rolle raus. Wir hoffen, er geht mal für ein paar Konzerte mit auf Tour. Aber bis jetzt hatte er immer gute Ausreden.

„0421 241 92799“ von Team Scheisse erscheint am 24. Februar 2023.

Und nun zu etwas völlig anderem

Lia Şanin & Inspektah feat. Jay Holler „Feuerrote Haare“

Dieser Song inklusive Video ist schon ein paar Monate draußen, aber es fehlen offensichtlich noch ein paar Aufrufe, bevor das hier endlich zum verdienten Selbstläufer wird wie die Telefonlawine bei Die Drei Fragezeichen. Das Potenzial besitzt der Clip jedenfalls. Die Musik dazu … DIY-Rave? Elektrifizierter Minimal-HipHop? Keine Ahnung, müsste ich mal bei Shazam anrufen. Aber was ich schon sagen kann: Ein trotz Konsums sehr waches Stück Kiff-Songwriting, das irgendwie aus diverseren Lebenswelten zu einem spricht und nicht aus der normativen Gangsta- beziehungsweise Gucci-Perspektive. Viel Spaß.

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Und das hier noch für Fans von Filmen und Kreaturen

Diese Woche läuft ein Film an – und ich würde lügen, wenn ich sagte, ich kann mich dafür verbürgen, dass er etwas taugt. Vielleicht ist er als Gag besser als auf anderthalb Stunden.  Allerdings habe ich den Trailer bereits etliche Male gesehen und meine Begeisterung ist ungebrochen. Was denkt ihr?

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Das Genre von derartigen Gimmick-Movies nennt man (oder zumindest ich) Creature-Horror. In diesem oft sehr trashigen Segment besitze ich eine gewisse Expertise und schließe die dieswöchige Kolumne mit einer Empfehlungsliste:

5 WEITERE ORIGINELLE CREATURE-HORRORFILME

– „Zombiber“ (2014)
Herrlich, dass das Wortspiel des Originals „Zombeaver“ sich tatsächlich auf Deutsch übertragen lässt. Das Schöne an solchen One-Trick-Filmen ist zudem, man muss nichts erklären. Der Name erzählt hier schon alles: Zombie-Biber. Das Ergebnis ist dabei weniger billo als gedacht und kann Witz und Spannung durchaus auch auf Strecke halten.

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– „Im Land der Raketenwürmer“ (1990)
Der Film mit Kevin Beacon und den (vermutlich von „Dune“ inspirierten) unterirdisch marodierenden Riesenwürmern kam Anfang der Neunziger tatsächlich so gut an, dass er zu einem Überraschungserfolg wurde – und einige Fortsetzungen nach sich zog.

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– „Stung“ (2015)
Auch dieser Killerbienen-Film ist erstaunlich ambitioniert und hat sogar einiges an Wendungen sowie Figurenentwicklung jenseits seiner Insektendarsteller zu bieten.

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– „Black Sheep“ (2006)
Hier gerät man ebenfalls an eine sehr gute Waage, die zwischen Quark, Witz und Horror auspendelt. Die weite australische Landschaft liefert der Produktion auch eine sehr beeindruckende Kulisse. Gilt, glaub ich, auch nicht nur bei mir als guter Film. Watch heute abend, thank me later.

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– „Angriff der Killertomaten“ (1978)

Belebte wie tödliche Nachtschattengewächse: Ein Genre-Klassiker, würde ich jedem empfehlen, mal gesehen zu haben. Ist mir persönlich nachhaltiger in Erinnerung geblieben als manch Klassiker, den ich einst als Schüler gelesen habe (Mann, Böll, Lessing).

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7 Tage, 7 Leute: Paulas karnevalistische Popwoche im Überblick – feat. Kim Petras, Pamela Anderson und Rihanna

Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte im Überblick.

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