Chuck Prophet
Das ehemalige Oberhaupt von Green On Red ist immer auf der Pirsch. Wie ein Vagabund diverser Stile streicht Chuck Prophet durch das Dickicht der Clubs und Kneipen
Chuck Prophet ist der Prototyp eines Tramps: auf sympathische Weise nicht seßhaft, seit ihm beim letzten Erdbeben sein Haus in San Francisco über dem Kopf zusammenfiel. Konsequenterweise zeigt das Cover seines dritten Soloalbums ‚Feast Of Hearts‘ ein Hotelzimmer. „Das war ein Hotel in Hamburg in der Nähe des Flughafens, wo ich drei Tage lang ganz allein verbringen mußte. Grauenhafte Tage, von denen auch die dritte Strophe des Songs ‚Longshot Lullaby‘ handelt. Ich war zu allem Überfluß auch noch krank und versuchte, irgendjemanden anzurufen, habe aber niemanden erreicht.“ Auch musikalisch läßt Prophet sich kaum irgendwo fest nieder, denn er weiß, daß neue Songs immer nur ein Aufguß von bewährten Zutaten sein können. Also bedient er sich aus dem Topf von Blues, Country, Cajun und Zydeco. „Es kommt nicht so sehr darauf an, was man in den Topf schmeißt, als vielmehr auf das, was übrigbleibt, wenn man das Zeug aufkocht!“ In diesem Sinne ist Chuck Prophet ein Meisterkoch, fertigt aus den erlesensten Ingredienzen die feinsten Destillate. „Als wenn Johnny Cash, John Hiatt und John Fogerty ihre Songs zusammenschmeißen“, lobte ein amerikanisches Rocklexikon schon sein Solo-Debüt ‚Brother Aldo‘ aus dem Jahre 1990. Da war der bonde Hänfling mit dem Ziegenbärtchen noch hauptberuflich mit Dan Stuart als Green On Red unterwegs und produzierte am laufenden Meter Platten, die kaum einer kaufte. „Wir waren ständig abgebrannt“, erinnert sich Prophet. „Aber ich bitte dich: Rock’n’Roll bedeutet nun mal alles andere als Sicherheit. Ich bin schon durch so viel Scheiße gegangen.“ Trotzdem möchte er keinesfalls mit seinen Jugendfreunden aus der gutbürgerlichen Mittelschicht-Gegend von Orange County tauschen: „Entweder man geht zur Universität oder stiehlt Autos, handelt mit Drogen und landet prompt im Gefängnis. So ging’s auch meinen Freunden. Einige sind tot, einige im Gefängnis. Einer hat eine Maklerfirma und ist mit einer Frau verheiratet, die der blanke Horror ist.“ Da zieht er doch lieber nächtens mit seiner Fender Telecaster im abgeschabten Gitarrenkoffer durch die Kaschemmen von Baton Rouge, immer auf der Suche nach einer längst verschollen geglaubten Note und nach den Figuren, die seine Songs bevölkern. „Mein Job als Songwriter ist es, hinter die Fassade des Ottonormalverbrauchers zu schauen, wo sich der ganze Wahnsinn verbirgt. Das hat mir an ‚Pulp Fiction‘ so gut gefallen: Die netten Vororte, alles nach außen hin so normal, und trotzdem ging dahinter der totale Irrsinn ab!“ Mit ‚Feast Of Hearts‘ hat sich Prophet, der früher schon seinen Green On Red-Kumpel Dan Stuart locker an die Wand spielte, selbst übertroffen: Er paart das soulige Songwritertalent eines Van Morrison mit dem relaxten Gesangsstil von Tom Petty und verdichtet seine am frühen Bob Dylan und James Joyce geschulten Geschichten zu Songs, die im Lager der etablierten amerikanischen Liedermacher-Zunft blanke Existenzangst auslösen müßten. Doch der Prophet gilt im eigenen Lande immer noch nichts: „Ich glaube, es wäre einfacher gewesen, ein Jurastudium zu absolvieren. Mein Leben ist nun einmal ein einziges Chaos. Ich weiß nie, ob es gerade sechs Uhr abends oder sechs Uhr morgens ist. Aber wenn ich Songs schreibe, interessiere ich mich einzig dafür und für nichts anderes auf der Welt.“ Das ist, mit Verlaub gesagt, auch gut so und zahlt sich für den Zuhörer aus. Hoffentlich bald und dann in barer Münze auch für ihn. Denn selbst von den Noten, die er großzügig wegläßt, könnten andere eine ganze Karriere bestreiten.