Bush, London, Forum


Die Briten wollten es erst gar nicht wahrhaben, daß etwas im Bush ist. Die Gruppe um Sänger Gavin Rossdale spielte sich in den USA und vielen anderen Ländern an die Spitze; in der Heimat indes ignorierte man die Senkrechtstarter aus dem Londoner Viertel Shepherd’s Bush wegen ihres amerikanischen Alternative-Sounds beharrlich. Kein Wunder also, daß sich Rossdale am Anfang der Show bemüßigt fühlt, auf die Herkunft der Band hinzuweisen: „Good evening, we’re Bush from London, England.“ Doch man ist neugierig geworden. Viele musikbegeisterte Insulaner fragen sich, was das für eine einheimische Band ist, die international einen besseren Ruf genießt als Oasis.

Nun ist Rockmusik ja bekanntlich was für harte Jungs. Beim Bush-Gig aber ist auch das weibliche Geschlecht zahlreich vertreten und himmelt den smarten Gavin Rossdale mit gierigen Augen an. Jedesmal wenn sich das Objekt der Begierde auf Tuchfühlung zur ersten Reihe begibt, recken sich Dutzende von Armen sehnsuchtsvoll in die Höhe. Während des dritten Songs (‚Swallowed‘) machen die Fans ihrer Freude ob des schönen Gavin gar lautstark Luft. Und das aus gutem Grund: Phonstarker Noise-Terror geht über in eine sanfte Sequenz, welche die Herzen der Girlie-Hundertschaften im Publikum im Handumdrehen zum Glühen bringt.

Es kommt zu Kreischorgien, wie man sie sonst nur von Auftritten der Backstreet Boys her kennt. Verständlich, denn Rossdale spielt die Rolle des Post-Grunge-Beaus weder qualvoll leidend wie Eddie Vedder noch benebelt wie Evan Dando. Statt dessen genießt er den Erfolg mit einer stimmigen Mischung aus Ernst, Verletzlichkeit, Volksnähe und Intensität. Das bringt Sympathiepunkte. Rossdale ist der Star. Er reibt seinen hageren Körper am MikroStänder, hüpft wie von Sinnen umher, malträtiert seine Gitarre und fordert die Fans gestenreich zum Jubel auf. Dieser Frontmann durchlebt seine Songs und scheint willens, bis an die Grenze der völligen Verausgabung zu gehen.

Diese ehrliche Hingabe steht in scharfem Kontrast zu dem gängigen Vorurteil, Rossdales Band sei von Industrie und MTV künstlich hochgepäppelt worden und habe in Wirklichkeit überhaupt keine Seele. Gitarrist Nigel Pulsford, Bassist Dave Parsons und Schlagzeuger Robin Goodridge allerdings wirken neben ihrem charismatischen Frontmann tatsächlich wie konturenlose Statisten. Vor allem das minimale Schlagzeugrepertoire von Goodridge fällt negativ auf, während die anderen beiden wenigstens ab und zu mit kurzen Kreativschüben aufwarten. Kontakt mit dem Publikum kommt aber auch für sie nicht in Frage. Der Blick bleibt stur auf die Arbeitsgeräte gerichtet.

So ist es nicht sonderlich tragisch, als die routiniert arbeitende, aber wenig aufregende Begleitmannschaft von Rossdale die Bühne verläßt und Gavin die Show mit ‚Straight No Chaser‘ im Alleingang fortsetzt. Danach Rossdales Solo-Version von ‚Glycerine‘ (aus dem Debüt ‚Sixteen Stone‘). Gavins rauhe Stimme, der Tonlage des ehemaligen Psychedelic Furs-Sängers Richard Butler nicht unähnlich, erzeugt den gewünschten Effekt: Nicht nur die Damen im Saal freuen sich über eine wohlige Gänsehaut.

Dieses Konzert läßt denn auch keinen wirklich kalt. Die von der streitsüchtigen britischen Musikpresse vorausgesagte Zurückhaltung jedenfalls bleibt vollends aus. Statt dessen singen viele schon seit dem ersten Song lauthals mit. Etliche Konzertbesucher tragen Bush-T-Shirts. Klar also, daß Rossdale sich jetzt auch hier heimisch fühlt. Zur Freude des Publikums preist er das ‚Forum‘ als seinen Lieblingsclub – und hechtet mitten hinein in die Fans, wo er das Bad in der Menge genießt.