Bunte Hunde
Schon mal darüber nachgedacht, warum man den ‚Tatort‘ prinzipiell mag? Und nur die miefigen Figuren, biederen Schauplätze und gymnasialen Dialoge so peinlich findet, daß man meistens nach zehn Minuten zur Fernbedienung greift (so lange jedenfalls nicht Peter Keglevic oder Dominik Graf inszenieren). Dafür gibt es einen einfachen Grund: Krimi ist prinzipiell okay, ebenso deutsche Schauplätze. Es muß eben nicht immer der Sunset Boulevard oder der Times Square sein und nicht mal Komödie, wie man uns seit ein paar Jahren in Deutschland immer wieder erzählen will. Der Romanautor und Regisseur Lars Becker hat mit seinem Erstling ‚Schattenboxer‘ gezeigt, daß auch schlichte Genrefilme aus und in Deutschland Erfolg haben können. Sein zweites Werk ‚Bunte Hunde‘ ist nun in jeder Hinsicht sowohl Fortsetzung als auch Steigerung dieser Haltung: Der Thriller um eine Bande von Autoschiebern, die von einem sperrigen Kommissar verfolgt werden, ist in Sachen Handwerk, Spannung und Casting einem vergleichbaren Film aus den USA absolut ebenbürtig. Die Drei von der Knackstelle: Toni Starek (Peter Lohmeyer), Pepe Brenner (Til Schweiger) und Guru Freiland Qan Gregor Kemp) vertreiben sich die Nächte, indem sie noble Karossen aufbrechen und über die Grenze in Ostblockländer verschieben. Kommissar Goethals (Christian Redl) sucht das zu verhindern, immer wieder, und stets erfolglos. Zwar landen Starek und Brenner im Gegensatz zum Proleten Freiland im Knast, weil Dumpfbirne Brenner im Verhör seinen Mund nicht halten kann. Von dort bricht Starek allerdings mit Hilfe der blonden Schönheit Mona schon bald wieder aus und organisiert mit Kumpel Guru schon die nächsten Brüche.
Auch Verräter Pepe kommt bald wieder ins Spiel, doch das ist eine andere Episode in diesem komplex arrangierten Thriller. Was unterscheidet nun einen ‚Tatort‘ von ‚Bunte Hunde‘? Erstens: Lars Becker hat einen guten Blick für kraftvolle Bilder, die man Deutschland gar nicht zutraut, sei es nun die Szene einer Kleinstadt im Morgengrauen, sei es das dampfend-hektische Nachtleben der Großstadt. Punkt zwei: Die Besetzung. Bis in die kleinste Nebenrolle hinein ist ‚Bunte Hunde‘ mit unverwechselbaren Typen ausgestattet, die trotz ihrer Schrulligkeit nie wirken, als seien sie aus einem Fellini-Film gefallen. Und Peter Lohmeyer als stenziger Ganove, der wenig kann und wenig weiß, aber trotzdem über eine große innere Stärke zu verfügen scheint, ist in diesem Lichtspiel das Trumpf-As. Dritter Bonus-Punkt: Becker kann Dialoge schreiben. Knapp und unverblümt kommt er auf den Punkt. Er charakterisiert seine Figuren mit ein, zwei Sätzen und er weiß genau, wann sie gefälligst ihren Mund zu halten haben. Und so kommt es, daß man in ‚Bunte Hunde‘ nach 100 Minuten Spaß und Spannung plötzlich ganz genau weiß, wie ein guter deutscher Krimi auszusehen hat. Und warum der ‚Tatort‘ im Fernsehen mit sinkenden Einschaltquoten zu kämpfen hat, weiß man plötzlich auch.