Born under a bad sign
Das Schicksal hatte sie voll im Visier, doch jeden neuen Tiefschlag stecken Def Leppard ungerührt weg.
„Wir sind nicht abergläubisch“, grinst ein gutgelaunter Joe Elliol. „Wenn wir es wären, könnte man wirklich auf den Gedanken kommen, daß unsere Band unter einem schlechten Stern steht. Uns selbst ist das gar nicht so bewußt, aber neugierige Frager wie du erinnern uns immer wieder daran, daß die Kacke wirklich kübelweise über uns ausgeschüttet wurde.“
Der letzte Kübel kam im Januar 1991. Damals fand man Leppard-Gitarrist Steve Clark tot in seinem Londoner Appartement. „Steve hatte ein Problem. Er war ein hundertprozentiger Alkoholiker. Die Sucht war wie Krebs, der den ganzen Körper verseuchte und ihn schließlich ins Grab stieß. „
An den Autnahmen zu „Adrenalize“, dem fünften Leppard-Album, hatte Clark schon nicht mehr teilnehmen können. „Steve“, erinnert sich EUiott, „war in einer anderen Welt. Er konnte nicht mehr spielen, seine Hände zitterten. Und so etwas törnt natürlich die ganze Band ab. Wir haben ihn trotzdem nicht gefeuert. Seine Verdienste um die Band waren groß, alle mochten ihn als Mensch, er war ein Freund. Deshalb haben wir ihm den Vorschlag gemacht, sich nach London in seine Wohnung zuriickzuziehen, befreit von dem Druck, dem man während solcher Aufnahmen ausgesetzt ist. Vielleicht ein paar Songs schreiben, wieder trocken werden, einfach mal pausieren. Und in dieser Zeit ist er dann gestorben. Wir haben ihn nie wiedergesehen. „
Der vakante Posten ist bis heute offiziell nicht besetzt (im Gespräch: Vivian Campbell). Phil Collen, zweiter Axeman, verbrachte Wochen im Studio, um sich anhand alter Demos die Parts von Steve draufzuschaffen.
„Es war schon traurig, ihn spielen zu hören. Fast so, als würde mir sein Geist die Gitarrenparts beibringen. „
Der Tod eines Gitarristen, könnte man zynisch einwenden, gehört im Rock ’n‘ Roll-Geschäft schon zum Alltag. Bei Def Leppard aber war dies nur der vorläufige Schlußpunkt einer Kette tragikomischer Un- und Vorfälle. Nach einer vergleichsweise ruhigen Periode von 1977 bis 1983 kommt’s knüppeldick. EUiott bekommt Mumps, für Erwachsene weit mehr als eine Kinderkrankheit; Produzent „Mutt“ Lange verunglückt auf dem Weg ins Studio; Toningenieur Mike Shipley erkrankt an Hepatitis. Und am 3L 12. 1984 verunglückt Schlagzeuger Rick Allen in der Nähe von Sheffield. Sein Wagen überschlägt sich bei hoher Geschwindigkeit, Allen wird durch das Sonnendach herausgeschleudert, der linke Arm durch den Sicherheitsgurt abgerissen. Normalerweise das Aus für jeden Musiker, aber eine Tragödie der ganz besonderen Art für Schlagzeuger.
Folglich war die Überraschung perfekt, als Rick auch weiterhin seinen Platz hinter dem Drumkit einnehmen wollte. Des Rätsels Lösung war ein eigens auf Aliens Bedürfnisse abgestimmtes, elektronisches Schlagzeug: Drum-Rolls, Pattern und Figuren vergangener Aufnahmen wurden gesampelt und konnten so per Knopfdruck zugespielt werden. Mittels Mikrochip trommelte Allen mit Allen.
„Es hört sich vielleicht ein bißchen seltsam an“, kommentiert EUiott die Nibelungentreue, „aber zuallererst sind wir Freunde. Leppard ist das Paradebeispiel für eine Band: nicht die besten Musiker, aber ein großartiges Team. „
Die Def Leppard-Geschichte nur als Aneinanderreihung von Schicksalsschlägen darzustellen, geht indes auch an der Sache vorbei. Mit dem ’83er Album „Pyromania“, produziert vom „sechsten Lep“ Robert „Mutt“ Lange, bog die Briten-Combo auf die Siegerstraße. „Am Ende des Tages“, so EUiott selbstbewußt, „zählt Qualität mehr als Quantität. “ Fünf Alben in 15 Jahren, das ist in der Tat eine eher „magere Ausbeute“. Aber, locker überschlagen, kommt Joe am Ende auf „30 Millionen verkaufte Einheiten weltweit, mit steigender Tendenz“.
Gerne ertragen die Mutt Lange-Schüler die Gerüchte, daß ihre Alben nur deshalb so zögerlich erscheinen, weil ihr Produzent das ganze Material noch einmal überarbeite. „Daß man sich nicht so schnell zufrieden geben sollte, haben wir von Mutl gelernt. Wer sich die Latte hoch legt, braucht einen langen Anlauf. Durch den Perfektionismus werden die Abstände zwischen den Veröffentlichungen groß, aber die Hauptsache ist doch, daß das Ergebnis stimmt.