Kolumne

Boom Tschak: Albert Koch über Jean-Michel Jarre


Die Elektro-Kolumne von Albert Koch: Wie Jean-Michel Jarre einmal nach 1984 noch einen sehr guten Track veröffentlichte.

Nehmen wir ELECTRONICA 1: THE TIME MACHINE, das aktuelle Album von Jean-Michel Jarre, zum Anlass, um noch einmal eine Lanze für den Elektronik-Superstar zu brechen. Dieses Spätwerk des 67-Jährigen ist nicht so schlecht wie erwartet, bietet aber dann doch zu wenig Argumente, um im Jahr 2035 danach zu greifen, wenn ein nostalgisches Gefühl die Forderung stellt, ein Album des Franzosen aufzulegen. Die Trilogie OXYGÈNE, ÉQUINOXE, LES CHANTS MAGNÉTIQUES bleibt maßgebend in allen Zweifelsfällen, die von der Popgeschichtsschreibung konsequent ignorierten Frühwerke DESERTED PALACE und LES GRANGES BRÛLÉES sind über jeden Zweifel erhaben. Nach dem Album ZOOLOOK (1984) war es vorbei mit dem künstlerischen Anspruch, Jarre hielt sich an das ungeschriebene Pop-Gesetz, nur noch ein Wohlgefühl zu verkaufen, das an seine frühere Musik erinnerte und wurde Multimillionär mit Konzertspektakeln inklusive Feuerwerk, Lasershow und einer Million Zuschauer. Einmal aber noch sorgte er für eine Überraschung, falls jemand Anfang der 90er-Jahre noch die Energie aufbringen konnte, sich von ihm überraschen zu lassen.

 

Boom Tschak: Die Elektro-Kolumne von Albert Koch
Boom Tschak: Die Elektro-Kolumne von Albert Koch

Die elektronische Musik war längst in anderen Sphären unterwegs, die Retromanie noch unbekannt. Am 11. Juni 1990, dem 80. Geburtstag des französischen Meeresforschers Jacques-Yves Cousteau, veröffentlichte Jarre das Album WAITING FOR COUSTEAU. Es enthält einen seiner besten Tracks überhaupt. Das dreiteilige „Calypso“ – tatsächlich ein elektronischer Calypso und zwei Variationen davon – ist „auf der Höhe der Zeit“ produzierter, hymnisch-pathetischer Elektronik-Pop mit einem gewissen Novelty-Faktor, aber letztlich doch nur: unerträgliche Muzak. Der über 46-minütige Titeltrack „Waiting For Costeau“ geriet ihm zu einem lyrischen Meisterwerk außerhalb der Tradition von Jarre-Musik. Es ist vielmehr seine persönliche Auslegung von Ambient: solitäre Pianotöne, ein Grund-Drone, Field Recordings, Synthesizer-Schlieren. Besser sollte Jean-Michel Jarre nicht mehr werden.