Boom Tschak: Albert Koch hat nichts gegen echte Schlagzeuger
Beim Avantgarde-Festival CTM in Berlin wurde Schlagzeuglegende Tony Allen Teil des Moritz von Oswald Trios.
Nein, ich habe nichts gegen Schlagzeuger. Eigentlich. Obwohl, wenn ich vor die Wahl gestellt würde: Für die Platten der drummerfreien Ensembles des Klarinettisten und Saxofonisten Jimmy Giuffre würde ich wahrscheinlich den Rest meiner Sammlung stehen lassen. Nur: Echte Schlagzeuger haben in der elektronischen Musik nichts verloren. Sie sind in der Regel zu laut, zu virtuos, effektheischend. In der Elektronik geht nichts über das stoische Tackern einer Drummachine. Das Phrasenschwein allerdings behauptet: Ausnahmen bestätigen die Regel.
Und so war es Ende Januar beim jährlichen CTM Festival in Berlin, der ersten Adresse in Fragen der musikalischen Avantgarde. Im Berghain trat das Moritz von Oswald Trio zusammen mit Tony Allen auf. Allen, Miterfinder des Afrobeat, Schlagzeuger und musikalischer Direktor in den Bands des nigerianischen Superstars Fela Kuti (1938–1997) und seit ungefähr einem Jahrzehnt dankbares Objekt für fortgeschrittene Remixer, saß neben Moritz von Oswald und Max Loderbauer auf der Bühne und ersetzte den regulären Schlagzeuger des Trios, Vladislav Delay. Auch wenn ein bisschen mehr Interaktion zwischen den Beteiligten wünschenswert gewesen wäre, tat das Schlagzeug dem Vergnügen keinen Abbruch. Weil: nicht zu laut, nicht zu virtuos, nicht effektheischend. Allen spielte rudimentär, minimalistisch, fast melodisch.
Er war es, der agierte und auf die Electronics und Soundscapes reagierte. Der 73-jährige Nigerianer thronte rechts auf der Bühne hinter seinem Schlagzeug und hatte den Tisch mit von Oswald, Loderbauer, Laptop, Mischpult und sehr vielen Kabeln ständig im Blick, so als könnte er wie ein Synästhesist die Musik sehen, die zu ihm nach oben drang. Gemeinsam erzählten Moritz von Oswald, Max Loderbauer und Tony Allen bei ihrem Auftritt eine musikalische Geschichte. Sie handelt von Ambient, von freejazzigen Frickeleien, vom Mikro-Groove und vom Dub-Techno der Berliner Schule.
Diese Kolumne ist im 700. Musikexpress erschienen.