Boom Box: WELCOME 2 DETROIT


Dej Loaf verbindet bitterkalten Realismus mit den heißesten Hooks der Stunde.


Female Rap also, ja? Da könnte man jetzt über Nicki Minajs Spiel mit der Ästhetik totalitärer Unrechtsregimes diskutieren. Man könnte sich auch das Maul zerreißen über Azealia Banks’ Twitter-Schaukämpfe mit Iggy Azalea. Oder man könnte sich einfach fragen, warum das eigentlich immer noch als Genre herhalten muss, wie Post-Drill oder Neo-Boom-Bap?

Am besten aber wäre, man spräche einfach über Dej Loaf. Denn da gibt es wahrlich einiges zu sagen. Dej Loaf kommt aus Detroit. Noch im Sommer hatten sie lediglich ein paar lokale DJs und Kollegen auf dem Zettel. Als im September aber Drake auf ihren Song „Try Me“ aufmerksam wurde und eine Verszeile in einem Instagram-Post zitierte, ging alles sehr schnell. Mittlerweile verzeichnet der Track über 20 Millionen Klicks. Eminem überließ der 23-Jährigen den Refrain auf seiner Heimathymne „Detroit Vs. Everybody“. Und Columbia Records überschüttete die Rapperin mit einem dem Ver- nehmen nach obszönen Vorschuss. Das ist an sich nichts Außergewöhnliches. Die Liste kometengleicher Aufstiege im Netzzeitalter ist lang, ebenso jene der Entdeckungen der nimmermüden Hipness-Einverleibungsmaschine Drake.

Doch Dej Loaf hat tatsächlich das Zeug dazu, den derzeitigen Hype zu überdauern. Einen guten Eindruck ihrer Begabung vermittelt das neue Mixtape „Sell Sole“. Erneut verbindet sie ihr gleichsam jenseitiges Gespür für hypnagogische Harmonien mit sehr diesseitigen Ansagen. Diese Mischung zeichnete bereits „Try Me“ aus, wo sie in süßlichem Singsang über die umge- hende Beseitigung aufmüpfiger Kasparen fabuliert. Auf „Sell Sole“ reizt sie das Spek- trum über die Dauer von 13 Songs aus. Mal spielt sie reines Silbentetris, mal singt sie fast traditionell, mal lehnt sie sich einfach nur ganz weit zurück und lässt ihren Swag über bizarre, sirupartige Melodiebögen wabern – während ihr Brudi im Geiste, Young Thug, alle Restzweifel ausräumt. Genau so müsste „Sin City“ als R’n’B-Ballade klingen.

Diese und weitere Kolumnen sind in der Januar-Ausgabe des Musikexpress erschienen – seit 11. Dezember am Kiosk und im App-Store erhältlich.