Zwei der besten Alben des ersten Rap-Halbjahres sind gratis im Internet erschienen.
Im Jahr 2002 veröffentlichte 50 Cent das Mixtape 50 CENT IS THE FUTURE. Es war nicht gemixt und auch kein Tape, doch der Titel erwies sich als prophetisch: Fitty war kurz die Zukunft und dann sehr lange die Gegenwart. Das ungemixte Nicht-Tape wurde zum wichtigsten Format im HipHop. Lil Wayne, T.I., die Diplomats, Clipse – sie alle lieferten herrlich rohe, halb legale Mini-LPs, die oft besser waren als ihre offiziellen Alben.
Ein Jahrzehnt später haben Soundcloud, YouTube und Spotify diese Dialektik erledigt. Was schnelles Fanfutter ist und was ein vermeintlich fertiges Produkt, wird einzig noch in den Konferenzräumen der Majors diskutiert. Geld verdient längst jeder anders, und Hörern ist das ohnehin schnuppe. So kommt es, dass zwei der besten Istjaegalwasgenaudasjetzteigentlichist der vergangenen Monate gratis im Netz erschienen sind.
Der 20-jährige Vince Staples verbindet auf SHYNE GOLDCHAIN VOL. 2 die selbstverliebte Silbenartistik seines Kumpels Earl Sweatshirt mit der schlauen Selbstreflexion seines Vorbilds Kendrick Lamar. Die Beats oszillieren zwischen verschlanktem G-Funk und melodiösem Neo-BoomBap, wie ihn auch Staples’ früher Förderer Mac Miller mag und macht. Beeindruckend ist, mit welcher Selbstverständlichkeit all das auf den zehn Tracks zusammenfließt: mehr aus einem Guss war 2014 noch kein Trackpaket. Sean C & LV sind die Inkarnation von Puff Daddys Hitmen mit dem charakteristischsten Sound: barocke Sample-Beats mit der würdevollen Schwere einer von Scorsese inszenierten Mob-Beerdigung. Mittlerweile sind die beiden freiberuflich tätig und verschenkten unlängst die Compilation LOUD DREAMS VOL. 1. Die unterirdische Soundqualität irritiert ein wenig, als Aufsehen erregende Bewerbungsmappe aber erfüllt das Album seinen Zweck: Zu den künftigen Großkunden soll auch ein gewisser 50 Cent gehören.
Diese Kolumne ist in der Juli-Ausgabe des Musikexpress erschienen – seit dem 10. Juni 2014 erhältlich.
