Bob Marley


Der Reggae ist da!!! Auf beiden Seiten des Ozeans spitzt man die Ohren. "Der neue Sound aus Jamaica!" Aber so neu ist er gar nicht. Bereits zu Beginn der 60er Jahre stand eine Reggae-Nummer in den europäischen Hitparaden. "Mv Boy Lollipop", gesungen von Milli. Leichte Kost. Stones- und Beatlesanhänger hatten seinerzeit nur ein mildes Lächeln dafür übrig. Nicht viel anders erging es später Desmond Dekker, mit "Israelites". Von "Kitsch" bis "Blödsinn" reichten die Beurteilungen, und den Text verstand ohnehin niemand. Aber jetzt gibt es Bob Marley und seine Wailers, und plötzlich ist der Reggae nicht nur salonfähig für Rockschuppen — er ist wichtig geworden.

Das liegt nicht unbedingt an Bobby, denn hätte Eric Clapton sein Comeback nicht gerade mit einer Reggae-Nummer gestartet, wäre wohl noch viel Zeit vergangen, bis man überall auf diese Musik gestoßen wäre. „I Shot The Sheriff“ ebnete den Weg und ganz besonders für Marley, der ihn geschrieben hat. Wie sich später herausstellte, wußte Eric, als die Aufnahmen schon abgeschlossen waren, noch nicht einmal, worum es darin geht. Auf den ersten Blick könnte man ihn für einen eher banalen Text halten. Wenn man sich jedoch vor Augen hält, daß Bob ansonsten nur sehr kritische „Protest‘-Texte schreibt, müßte man stutzig werden. Er sieht den Text denn auch eher symbolisch: „Die Botschaft ist eine Art von diplomatischem Statement. Wenn ich sage, ich erschieße den Sheriff, meine ich, ich erschieße die Bösartigkeit“. Und der Sheriff in diesem Song ist echt ein wilder Bursche, dem man nichts mehr wünscht, als erschossen zu werden.

Marley’s Botschaften

Wie dieser, tragen alle Songs von Bob eine Botschaft in sich. Für Außenstehende nicht immer leicht zu durchschauen. Meist beruhen sie auf Marley’s Rasta-Philosophie, sprechen von Jah (Gott), von Babylon, dem gelobten Land und von der Wichtigkeit des Ganja (Marihuana). Auf dem Cover von „Burnin“‚ sieht man ihn denn auch in aller Ruhe einen Joint durchziehen. Er ist einer der Sänger mit „erhobenem Zeigefinger“, wie einst Dylan oder teilweise Mick Jagger. Allerdings besteht ein gravierender Unterschied zwischen ihrem Protest: Die Rastafari rufen zur Passivität auf, während die meisten anderen „Prediger“ vom aktiven Kampf sprechen. In dieser Hinsicht gleichen sie eher den Hippies. In „Get Up Stand Up“, ebenfalls von „Burnin“‚, spricht Bob vom Wert des Lebens undf meint damit: „Wir müssen nicht für unsere Rechte kämpfen, die Rechte müssen zu uns kommen. Du sollst aufstehen für dein Recht und den Kampf nicht aufgeben, aber du sollst nicht für deine Rechte kämpfen.“ „Besonders für uns Europäer ist diese Art von Logik schwer verständlich.

Musik aus Jamaica

Einige werden sich sicher wundern, daß bisher noch kaum etwas zur Musik gesagt wurde, aber es ist nötig und wichtig, den Hintergrund etwas auszuleuchten, vor dem die Musik abläuft. Sie stammt, wie gesagt, aus Jamaica, und dort herrschten bis vor ca. 130 Jahren noch die gleichen Zustände wie in den Südstaaten von Amerika vor den Sezessionskriegen. Neger wurden von Westafrika zumeist nach Jamaica verschifft, wo sie den dortigen Kolonialherren zu dienen hatten und wie Sklaven gehalten wurden. Die Wurzeln der Reggae-Musik ähneln also stark denen der Blues-Musik. Beide Arten entwickelten sich unter den gleichen Voraussetzungen und aus denselben Gründen. Es ist die Musik von Unterdrückten, die heute alle Discotheken zum Tanzen bringt und auf Parties die Gemüter erhitzt. Natürlich hieß die damalige Musik Jamaicas noch nicht Reggae und hatte auch noch keinen eigenen Charakter. Erst Anfang der 60er Jahre bekam sie einen Namen: Ska. Danach hieß sie Bluebeat (in der „Lollipop“-Phase), Rocksteady und schließlich, so um 1969 herum, nannte man sie Reggae.

Bob, der Rastafari

Und in diesem Reggae-Reich ist Bob Marley ungekrönter König und Herrscher. In Jamaica, seiner Heimat, ist er DER „Soul-Rebell“. Er wird direkt neben den frühen Rasla-Helden als Idol verehrt und gefeiert. Er ist einer der großen „Street Poets“ seiner Zeit und die Wailers der treffendste Ausdruck der Ghetto-Musik Kingstons, Jamaicas Hauptstadt.

Außerdem ist Bob ein Rastafari! Nicht nur nach außen hin, mit seinen aufsehenerregenden „Natty Dreads“ (knotigen Locken), sondern auch im Lebensstil, im religiösen Denken, in der Musik, den Texten, einfach in allem, was er denkt und tut. Die Rastas glauben an die Bibel, an Gott, den sie in Haile Selassie, dem Herrscher Äthiopiens, der im letzten August verstorben ist, verkörpert sehen, und dessen Land sie ais ihr Babyion betrachten, den Ort, an dem sie sich eines Tages alle treffen werden. Sie glauben auch an die Hoffnung auf Gewaltlosigkeit und Gerechtigkeit. „Meine Songs tragen alle die Botschaft der Gerechtigkeit, egal, ob du nun schwarz oder weiß bist. Mein Vater war ein weißer englischer Soldat, als er meine Mutter, eine echte Landfrau aus dem Inneren Jamaicas, traf. Ich habe also kein Vorurteil gegen irgendeine Hautfarbe.“

Musik und Texte

Bob redet lieber über seine Lebensphilosophie, seine Ziele, später einmal nach Äthiopien zu gehen oder über seinen Glauben, als über seine Musik. Aber gerade die hat ihn bekannt gemacht. Viele kamen erst über die Musik mit den Texten in Berührung. „Leute, die nur auf die Musik hören, werden schnell auch auf die Texte achten. Laß‘ sie doch erstmal der Musik lauschen. Bald wollen sie von alleine die Worte erfahren, um das Ganze zu verstehen.“ Da hat er zweifellos recht, aber was ist Reggae nun eigentlich für ihn? „Reggae ist nicht so etwas wie der Twist früher, er ist einfach Musik. Wenn du anfängst, ihn in eine Stilschublade zu stecken, meinst du, es wäre so eine typische Single-Sache. Darum meinen viele ja, es wäre irgendein Typ von Musik, was aber gar nicht stimmt. Reggae ist nicht die Musik eines einzigen Tages, sie ist Wirklichkeit!“ Wer hätte von ihm eine andere Antwort erwartet. „Wenn bald alle Reggae spielen, werden wir uns eben einer neuen Art zuwenden, wie damals der Ska. Rocksteady und nun Reggae. Zum Beispiel Nyah Bingi Musik, unsere erste Musik überhaupt.“

Die Anfänge der Wailers

Während viele Reggae-Stars durch ihren kommerziellen Erfolg ihre Wurzeln vernachlässigten oder gar verloren, steht Bobby mit den Wailers nach wie vor fest in den Stiefeln der heimatlichen Tradition. 1964 bestanden die Wailers noch aus einer fünf Mann starken Gesangsgruppe, die gerade der Schule entwachsen war. Bob war dabei, Peter Tosh und Bunny Livingston, die dem Namen mit ihrem Klagen („wailin“) den Stempel aufdrückten. Als später Aston „Family Man“ Barrett (am Baß) und sein Bruder Carlton (am Schlagzeug) hinzukamen, wechselten Bunny und Peter an Orgel bzw. an die Congas. Bob sang und spielte Gitarre. Nachdem sie mit einigen Songs die örtlichen Charts besetzt hatten, gründeten sie ihr eigenes Plattenlabel: Wailing Soul. Als es nach ziemlich kurzer Zeit wieder einging, verließ Bob Jamaica und ging in die Staaten. Er verbrachte eine schlimme Zeit dort, und erst 1969 trat er wieder den Heimweg an.

Die ersten LP’s

Er fand seine alten Freunde, und die Wailers formierten sich erneut. Das Comeback brachte ihnen einen neuen Produzenten (Lee Perry) und wieder einmal einige Hitsingles. Viele der Stücke von damals finden sich auf den drei später veröffentlichten Island-LP’s wieder. Die Gruppe wurde immer bekannter und populärer, und schließlich beschlossen sie, es noch einmal mit einem eigenen Label zu versuchen. Es hieß „Tuff Gong“ und besteht noch heute. Chris Blackwell, ein Londoner Geschäftsmann mit einem Reggae-Tick, hatte geund verpflichtete die Wailers und noch ein paar andere Reggae-Bands. Mit ihnen hatte er eine Goldgrube an Land gezogen, und schon das erste Aibum „Catch A Fire“ schlug 1972 bei Erscheinen voll ein. Ein aufklappbares Feuerzueug diente als Cover, und nie fünf Musiker darauf wurden bereits zu dieser Zeit zu den wichtigsten und bekanntesten Reggaeleuten gerechnet. Ein Jahr später folgte „Burnin“, das wohl wichtigste Album der Gruppe, das auch „I Shot The Sheriff“ enthält. Als zusätzlicher Musiker war „Wire“ Lindo dazugestoßen, das Konzept jedoch war unverändert geblieben.

Der Reggae bricht aus

So um 1974, begann das Reggae-Fieber auszubrechen. Viele große und kleine Rockbands und Sänger nahmen Reggae in ihr Repertoire auf. Neben Eric Clapton, bei dem er zum festen Bestandteil wurde, spielten selbst die Stones einige Stücke im neuen Caribean-Sound. Er machte vor nichts halt, und überall grassierte die Reggae-Mania.

Bands schossen aus dem Boden, bestens eine Nummer im Programm. Es gehörte schon fast zum guten Ton, einen Reggae einzuflechten. Vor ein paar Monaten schließlich erschien der Wailers dritter und bisher letzter Streich. Es hieß „Natty Dread“ und führt Bob erstmals gesondert im Namenszug auf. Zahlreiche Impulse und Inspirationen, hatte der Reggae der Wailers ausgesandt. Umgekehrt zollen sie jetzt ihrerseits Rockklängen und -arrangements ihre Achtung, obwohl der typische, einzig echte und wahre Rhythmus nicht verändert worden ist.