Blumfeld: Hauptsache Musik
Wenn sich nach 16 Jahren die höchst imposante Band Blumfeld auflöst, ist mehr als nur ein bisschen Historie fällig. Eine Lehrstunde zur Utopie "Freiheit im Pop" gibt es noch mindestens obendrauf.
Nach 16 Jahren löst sich mit Blumfeld eine der wichtigsten Gruppen der jüngeren Popgeschichte auf. Noch eine Tour, dann ist sie weg. Doch wie wichtig sind „wichtige Popkapellen“? Jenseits der alten Beatles-oder-Stones-Glaubensfrage? Diesseits des Ärmelkanals? Über die Top 5 deiner obligatorischen Plattenfür-die-Insel-Liste hinaus? Geben wir’s zu: Die meisten von uns werden Blumfeld schon zu den Akten gelegt haben, noch bevor die Hamburger Band zum letzten Mal live bei „Verstärker“ die Gitarren feedbacken lässt.
„Das wird aber kein Nachruf oder so?“, fragt Jochen Distelmeyer leicht verunsichert beim Interviewtermin in einem Hamburger Hotelrestaurant. Ja, doch, ein bisschen schon. Und da machst du gar nix dagegen, altes Haus! Denn schon stehst du mit einem Bein in der Geschichte. Nachlassverwalter basteln an Artikeln wie diesem. Es wird eingeordnet und nachempfunden. Abgemessen und eingesargt. Endlich wird Blumfeld, diese so ausgesprochen schlecht greifbare Band, festgeschrieben. Was ja immer auch eine dankbare Möglichkeit bietet, sich mit der eigenen Biografie da einzukuscheln. Schließlich war jeder von uns irgendwie mal ein Dorfpunk, verschwendete seine Jugend und/oder war „politisch und sexuell andersdenkend“ – wie Blumfeld anno 1994. Was der Pop auf der Höhe der Zeit nicht schafft, schafft die Popliteratur bzw. die Literatur über Pop: Sie holt uns alle ins Boot.
Und so erinnern wir uns – bestens.
Ende der 80er. Wilde Hamburger (Vorschul-) Jahre. Gebietsvereinigung Ost/West. Allenthalben Menschen mit „Halt’s Maul, Deutschland!“-T-Shirt an. Endlose Diskussionen bei der Poplinken darüber, ob man überhaupt auf Deutsch singen darf, ausgerechnet jetzt. Und als es dann tatsächlich Alfred „NDW-Erfinder“ Hilsberg die Sprache verschlägt auf einem Pinneberger Schulfest, wo er Blumfeld zum ersten Mal erlebt. Dann, der Knall: „Ghettowelt“ – Single des Monats (und später: des Jahres) in Spex. Und als Deutschrocklehrer Heinz-Rudolf Kunze diese neue, scharfe Band für seine stolze, nationale Sache einvernehmen will. (Und wir natürlich alle dagegen: „Hau bloß ab mit deiner Radioquote, Brille!“) Später: Jochen mit Peter-Lustig-Latzhose live bei der Popkomm. Blumfeld bei „Top Of The Pops“. Und unser Auge zwinkert immer fröhlich mit. Wir verstehen sie natürlich, diese höhere Ironie in der Bauart eines Leonard Cohen oder Bob Dylan. Auch der „Beauty-Schock“ von old NOBODY kann uns nicht erschüttern.
Wenn Jochen Distelmeyer von vornherein gewusst hätte, was da auf ihn zukommt: Hätte er es dann bleiben lassen? Wäre lieber Schriftsteller geworden? Oder Regisseur? Das ganze Ding mit dem Pop und dem ewigen Diskurs. Den ständigen Kritteleien, Missverständnissen, Polemiken. Den unzähligen Geistern, die sich gerufen fühlten von einem wie ihm, der ihnen Slogans wie komplexeste, mit Zitaten mehrfach verknotete Strophen um die Ohren ballerte, dass es trotzdem eine Popart hatte. Der all das vortrug, als könnte er nie irren. Anfangs überaus dringlich, bellend, später klar und hell gesungen und irgendwie auch ein wenig distanziert. Und doch waren es vor allem Fragen, Zweifel, Ängste, von denen er sang. Dennoch fühlten sich Autoren, Journalisten, Künstler davon herausgefordert, als spielten sie, eine ganze Mannschaft aus Wadenbeißern, beim FC St. Pauli und endlich sind mal wieder die Bayern zu Gast. Dabei war es doch vor allem und letztlich: Popmusik.
Jochen Distelmeyer hatte den Kram ja schon einmal hingeschmissen. Gleich zu Beginn. Da löste er seine erste Kapelle Die Bienenjäger (zeitweise auch: Arm bzw. Laut) nach etwa zwei Jahren wieder auf. Die hatten im Umfeld der/des „Fast Weltweit“-Clique/Labels rund um Bernd Begemann (auch Frank Spilker und Bemadette La Hengst waren dabei) im ostwestfälischen Bad Salzuflen zusammengefunden. Distelmeyer kam aus Bielefeld. Doch dort war er nicht fün dig geworden auf seiner Suche nach Pop in der Nachfolge von Postpunk (Prefab Sprout, Orange Juice, Style Council, The Smiths sowieso).
Mit Thomas Wenzel (Die Sterne, Die Goldenen Zitronen) und Marko BredeT (anfangs auch Die Sterne) nimmt er – u. a. für zwei Kassettencompilations-Songs auf, die formal dem, was Jahre später auf old nobody folgen wird, durchaus ähneln. Doch die Musik, die bei Fast Weltweit veröffentlicht wurde, findet Jochen bald schon „belanglos“ – schlimmer noch: „Sie war ihrer Warenförmigkeit bereits derart unterworfen, dass es mich nicht angeturnt hat.“
Der Lehrersohn will früh schon so viel mehr. Da können nicht zuletzt auch die eigenen musikalischen Fähigkeiten und die fadenscheinigen Subversionsversprechungen der Popkultur nicht mithalten. Jochen schmeißt hin.
Aber er schreibt weiter. Baut an seinem Kosmos, der sich ohnehin nicht von Song zu Song, sondern über sein gesamtes Leben erstrecken wird. Zurück zur Musik bringt ihn der HipHop, der Ende der 80er endgültig nach Europa durchbricht: „Da hatten Leute etwas zu sagen, musikaiisch undinhaltlich. Auf ihre Art undzu ihren Bedingungen.“ Er schnappt sich wieder das Instrument, das er wenigstens einigermaßen beherrscht – die Gitarre. Doch wieso wird er nicht zu MC Distelmeyer? „Dafür bin ich vielleicht zu faul gewesen… Außerdem war es das, was ich vom Punkrock gelernt hatte: Ich wollte es jetzt machen. Ich wollte es schnell machen. Und für mich war das ja wie HipHop, nur ohne Beats.“
ES Sollte Wütender, durchdringender Sprechgesang mit wie geloopten Schlagzeugpatterns und Indienoisegitarren werden. Nicht, dass Distelmeyer selbst viel mit Sonic Youth & Co. am Hut härte. Dafür Bassist Eike Bohlken und Schlagzeuger Andre Rattay offensichtlich um so mehr, die mit ihrer ehemaligen Noisecore-Band Der schwarze Kanal 1988 bei L’Age D’Or bereits eine Platte gemacht haben und die Distelmeyer über Christoph Leich (Kolossale Jugend/später: Die Sterne) kennen lernt.
Ab dem Moment, in dem der 1988 nach Hamburg umgezogene Distelmeyer den beiden seine Songs vorspielt, rasen die Ereignisse. (Zeitraffer an:) Band nennt sich Blumfeld (nach Franz Kafkas Erzählung „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“ von 1915) – nimmt Proberaumdemo auf-Tobias Levin, der mit Cpt. Kirk & Co. bei What’s So Funny About bereits ein Album veröffentlicht hat, empfiehlt Blumfeld seinem Labelvater Alfred Hilsberg – Hilsberg fährt nach Pinneberg, um sich Blumfeld auf einem Schulfest anzusehen. (Zeitraffer aus:) „Ich war sprachlos“, erzählt Alfred Hilsberg. „Dassjemand ein solches Charisma hatte, hatte ich vorher noch nie erlebt. Diese Ausstrahlung – einerseits dieses Gefiihl von Unsicherheit, andererseits wusste der sehr genau, was er tut. Vor allen Dingen waren aber diese Texte im ersten Moment dermaßen unbegreiflich …Ich habe ein, zweiTage gebraucht, bis ich überhaupt mit der Band sprechen konnte.“
Mit Blumfeld holt SICh Hilsbergeinen Act ins Haus, der trotz seiner Unerfahrenheit bis ins Detail weiß, was er will: independent sein. Von Marketingknebeln und Geschäftsentwürfen – aber auch von Szenezwängen und Soundvorschriften. Jochen Distelmeyer: „Es ging uns anfangs darum, eher das Gegenteil von einer Karriere zu wollen.Wir wollten Musik machen. Unddiesen Grundimpuls konnten wir die ganzeZeit lebendighalten- warum macht man das und wofür macht man das? Und dass man deswegen keinen Bewegungen oder Überbauten verpflichtet ist oder abhängig davon ist… Men sehen brauchen Musik. Ich brauche Musik. Klänge, die die Körper bewegen. Wie das genannt wird und welche Modelle entwickelt werden und dazu gerechnet werden, das ist eine Frage von einer Industrie, der Kulturindustrie. Das ist nicht meine Frage als Künstler und als Musiker.“
Distelmeyer ist dennoch zu keinem Zeitpunkt ein ungeschliffenes Liedautorenjuwel, das vor sich hin musiziert ohne eine Idee von Öffentlichkeit und Rezeption. „Er hatte schon in unseren ersten Gesprächen wohlgeordnete Vorstellungen davon, wie er seine Position in der Öffentlichkeit wahrnehmbar machen will‘, erzählt Hilsberg. Da möchte einer an Hirnen und Herzen rütteln. Mit Wahrhaftigkeit schocken. Sowas geht nicht aus der Hüfte, ohne eigene Lehre. Andererseits ist dieser Distelmeyer aber auch eitel genug, der Welt als ordentlicher, sprich: verwegener und sexy Popstar gegenüberzutreten.
Hilsbergs Promomaschine rattert – „Ghettowelt“ wird als 7-inch veröffentlicht – „Single des Monats“ in der Spex – andere ziehen nach das Debütalbum Ich-Maschine folgt-ignorieren geht nicht: „Die Position von Distelmeyer war so radikal, dass man bereits ahnen konnte, dass man sich noch jahrelang damit wird auseinandersetzen müssen“, sagt Hilsberg. Das Debüt ist allerdings zu rough für Mehrheiten. Dennoch verkaufte es bis heute mehr als 20000 Stück. Blumfeld wird noch vor den Einstürzenden Neubauten auch Hilsbergs größter kommerzieller Erfolg. Die Alben eins bis fünf erscheinen bei Hilsbergs Label Zickzack bzw. bei anderen (Major-) Firmen mit ihm als Basisstation und zeitweise als Manager. Die drei Bandmitglieder, die sich anfangs gehörig aneinander gerieben haben, finden nach dem Debüt immer besser zueinander. „Am Anfang wussten Andre und Eike ja nicht: Was ist das für’n Typ? Nach ICH-MASCHINE haben sie mirdann mehr vertraut als Songwriter. Unddas hat sich über die verschiedenen Wechsel in der Band noch mehr uerse/festsrändigf“, erzählt Distelmeyer. Er setzt seine Ideen bei L’etat Et Moi schon weitaus klarer um. Die Band entwickelt ihre Spannung aus sich selbst heraus, weniger aus der Situation. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Distelmeyer inzwischen Kunst und Handwerk des Arrangierens und sein Instrument besser beherrscht. „Er hatte zwar schon immer die Grundstruktur der Songs vorgegeben, war aber ja der exponierte Nichtmusiker in der Band gewesen“, berichtet Hilsberg.
Obwohl Blumfeld von Anfang an Distelmeyers Kind ist, braucht er doch den Input der anderen. So lässt sich zum Beispiel der Einfluss von Keyboarder Michael Mühlhaus auf den Sound des dritten Albums old nobody als gar nicht groß genug einschätzen. Peter Thiessen von Kante, der als Nachfolger von Eike Bohlken Blumfeld-Bassist wird, beschreibt die Arbeit in Proberaum und Studio so: „Seine Texte und Songs waren für mich immer auf einem so hohen und berührenden Niveau, dass ich nicht das Gefühl hatte, da müsse jetzt großartig dran verschlimmbessert werden. Für mich war immer die Frage: Wie kann man den Song am meisten strahlen lassen?“
Old Nobody werden Blumfeld besonders strahlen lassen. Dem Album geht allerdings eine Veröffentlichungspause von fünf Jahren voraus, in der sich die neue Band finden muss, fleißig live gespielt wird, Distelmeyer sich aber auch als DJ betätigt und politisch noch aktiver wird, als er mit oder ohne Band (Soli-Konzerte, „Wohlfahrtsausschüsse“ usw.) zuvor schon war. Das geschieht aus der Musik heraus, wie er sagt: „Mir ist es wichtig, den Dingen nachzuspüren, zu sehen, wie die Musik in das Leben eingreift.“ Aber auch die einfache Formel „Nicht nur darüber reden, sondern auch etwas tun“ lässt er gelten. Durch die politische Arbeit versucht er zudem, wieder Eingang in eine starke Szene zu finden, wie er sie in frühen Blumfeld-Jahren in Hamburg unter den Musikern vorgefunden hat. „Das Besondere an dieser Szene war die komplette Abwesenheit von Konkurrenzgefühl bis Mitte der 90er.“ Die Musiker tauschen sich, Platten, Bücher, Filme aus, geben gegenseitig Gastspiele in Songs und Videos, touren miteinander. Eine echte „Hamburger Schule“ gab es dennoch nie. A) reichen diese Verbindungen immer auch über Hamburg hinaus (im Fall von Blumfeld z. B.nach Berlin, vor allem zu Mutter und den Lassie Singers). B) gibt es in Stilen, Sound, Inhalten viel zu wenige Gemeinsamkeiten für ein übergreifendes Label.
Mit OLD NOBODY machen Blumfeld umso deutlicher, wie weit sie sich entfernen können und auch wollen von dieser ominösen „Hamburger Schule“. Eine astreine Mainstream-Popplatte ist das, mit Songs, Texten und Querverweisen, die du auf anderen Mainstream-Popplatten jedoch lange suchen kannst. Obwohl Jochen Distelmeyer in den kommenden Jahren nicht müde werden wird, zu betonen, dass es für ihn und die Band zwischen L’Etat et Moi und Old Nobody keinen Bruch gegeben hat, gibt er sich doch alle Mühe, hinter die markanten Sound- und Stilwechsel mehr als nur ein Ausrufezeichen zu setzen.
„Für ein neues Album hatte Jochen immer einen Rundumplan von Cover, Bandfotos, Video, Singles etc. Er hat das alles nie als Promotools verstanden, sondern als Teil der künstlerischen Aussage“, erinnert sich Peter Thiessen. Und für old nobody holt er nun richtig aus: Vom Konfirmandenbild-Cover lächelt die Band wie auf einer Überdosis Prozac herunter, die Single „Tausend Tränen tief“ segelt auf Synthiestreicherwellen am Schlagerabgrund entlang, im Video mit seinem unübersehbaren homosexuellen Subtext lächelt Distelmeyer mit Helmut Berger weiter um die Wette, in Interviews lässt er nicht zufällig ein paar Mal den Bandnamen Münchner Freiheit fallen…
In den Taschen der „Rough ist ehrlicher“-Indierocker, die mit großer Genugtuung erlebt hatten, wie die US-Säulenheiligen von Pavement Blumfeld als UK-Supportact unter ihre Fittiche genommen haben, ja sogar der allmächtige NME seinen Segen erteilte (Platz 37 in den Album-Jahrescharts für L’Etat Et Moi.‘), ballen sich die Fäuste. Verrat! Ausverkauf! Vor allem, weil Distelmeyer nun auch noch verständlicher textet. „Klarer wird“, wie er sagt. „Vielleicht hatte diese Wahrnehmung etwas damit zu tun, dass Jochen auf den beiden ersten Platten eine so intensive Sprache gefunden hatte, dass sich viele aus der Seele gesprochen gefühlt haben“, überlegt Peter Thiessen. „Die fragten sich nun: Wieso sagt der jetzt auf einmal nicht mehr das, was ich denke und fühle?“
Distelmeyer hat Ende der 90er erkannt, dass Jndie der neue Mainstream sein wird“. Bands wie Smashing Pumpkins, Red Hot Chili Peppers, Garbage beerben Acts wie Bon Jovi und Sting. „Und es war abzusehen, was dasfürdie Qualität dieser Musikbedeuten würde. Inzwischen ist das ja nichts anderes als Muckertum, smartes Muckertum. Die Mucker heutzutage wissen, dass es ziemlich cool ist, wenn man Schlagzeug wie Keith Moon spielt, und auch, welche Platten cool sind. Bei den meisten Sachen habe ich jedoch den Eindruck, dass da einfach nur brav die Malbücher ausgemalt werden.“
old nobody soll einklares Zeichen setzen -gar nicht gegen „Indie“, „linken“ Pop (tatsächlich waren spätere Songs wie „Die Diktatur der Angepassten“ und „Tics“ politisch ausgesprochen explizit), einen bestimmten Sound. Sondern dafür, dass Blumfeld sich über die gängigen Muster und Mechanismen hinweg setzen wollen -und werden. „Dieses Spiel mit den Optionen hatte sich für mich erledigt“, sagt Jochen Distelmeyer. „Denn wenn man Musik so versteht, wird man zum Gefangenen seines Talents – siehe David Bowie oder Beck oder so. Wenn man mit Optionen spielt, kann das gut aussehen und klingen, beeindruckend sein. Aber man bekennt sich nicht. Interessant wirdes doch erstin der ‚eigensten Enge‘, dass man da etwas herauskriegt. Und das ist das, was mich interessiert-am Musikmachen, am Leben generell. Das mag mittelfristig uncool sein. Oder nicht besonders glamig. Es genügt vielleicht nicht mehr den hedonistischen Kriterien…“
in der Folge bzw. der weiteren Verfolgung dieses Gedankens werden Blumfeld drei weitere Alben machen. Sie werden Pop und Rock spielen, bald auch Blues, Boogie-Woogie, Folk, Kinderlieder, vor allem aber und immer schöne Melodien, in diesem Sinne also bis zu ihrem Ende „Mainstream“ bleiben. Sie werden Van Halen, Cole Porter, Prefab Sprout, Hanns Dieter Husch, Al Green, Madonna, Cohen, Dylan, Lennon u. a. covern. Hauptsache Musik.
Und Jochen Distelmeyer wird noch konkreter, einfacher werden in seinen Texten, kontinuierlicher und gleichsam spleeniger „die Perspektive wandelte sich allmählich von einem, der aus einem bestimmten Umfeld heraus spricht, zu der eines Einzelnen“, wie Peter Thiessen beobachtet hat. Auf der finalen Platte verbotene fruchte (2006) werden wir Jochen Distelmeyer schließlich viel draußen in der Natur begegnen, wo er uns „Schnee“ den „April“, „Tiere ums uns“ beschreibt und vor allem existenzielle Gegebenheiten darstellt. Leben, Liebe, Gott, Tod-jeder von uns wird früher oder später auf diese Dinge treffen, wenn er in der „eigensten Enge“ forscht und gräbt. Ist das „banal“? Nein, nur eben sehr klar. Sehr sehr klar. Kein doppelter Boden, keine Tricks.
Wenn man Jochen Distelmeyer fragt, welches die Höhepunkte der Zeit mit Blumfeld waren, sagt er, dass es ganz schwierig sei, da etwas herauszupicken. Dann allerdings erinnert er sich, wie es war, in England, New York, Paris, Südamerika zu spielen wo die Leute die Texte nicht verstanden – „und trotzdem das Hauszu rocken“. Dort waren Blumfeld endlich „keine deutsche Band, sondern eine von vielen auf diesem wundervollen Planeten“.
Und es fallen ihm auch wieder die Fans wie die Spötter und Zyniker ein, die im intro.de-Forum im vergangenen Jahr nach Bekanntgabe des Albumtitels verbotene fruchte umgehend begannen, wild zu spekulieren, Songtitel zu erspinnen, sogar eigene Lied texte zu verfassen. „Das fand ich besonders“, sagt Distelmeyer. Man müsste eigentlich sogar „einzigartig“ sagen – und das weiß er auch.
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