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Bling-Bling: Wie Diamanten zur Selbstermächtigungs-Strategie wurden


Schmuck im HipHop: Warum es egal ist, ob Diamanten echt sind oder nicht. Die aktuelle Stil-Kolumne von Jan Kedves.

Im Jahr 2005 informierte der österreichische „Standard“: „Die Duden-Redaktion hat Bling-Bling in der Pipeline der möglicherweise zu lexikalisierenden Wörter stehen, zaudert aber (…), ob sich das lautmalende Doppelwort im Deutschen wirklich durchgesetzt hat.“ Ha! Wie man Kulturphänomene verkennen kann, wenn man sie allein durch die weiße mitteleuropäische Brille betrachtet. Schon ein Jahr später, 2006, musste der Duden einsehen, dass Bling-Bling („stark glitzernder Schmuck“) natürlich in den deutschen Wortschatz gehört; währenddessen ließ der „Spiegel“ noch 2008 jegliches Feingefühl vermissen, als er Bling als „der protzige Proletenprunk der HipHopper“ bezeichnete. So eine gehässige Alliterationsorgie kann nur durch zu viel Protestantismus und Neid zustandekommen.

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Das neue Buch „Ice Cold. A Hip-Hop Jewelry History“ (Ice Cold. A Hip-Hop Jewelry Histor, Vikki Tobak, TASCHEN, 388 Seiten, 80 Euro, taschen.com) hilft nun, zu begreifen, wie sehr der Stolz auf funkelnden Schmuck in der afroamerikanischen HipHop-Welt eben auch Stolz auf die wiedergefundenen kulturellen Wurzeln in Afrika ist: „My jewels are my superhero suit, an extension of my beautiful brown skin. It’s a gift from ancestors who sat on thrones and reigned with rings and rocks the size of ice cubes“, schreibt der Rapper Slick Rick im Vorwort zum opulenten Bildband.

Der Urvater des Bling

Mit Mansa Musa nennt er auch ein Stilvorbild: Der König des westafrikanischen Reichs Mali sitzt auf Abbildungen aus dem 14. Jahrhundert mit goldener Krone auf goldenem Thron und hält in den Händen sein goldenes Zepter und einen Goldbecher. Mansa Musa galt damals als der reichste Mann der Welt. Der Urvater des Bling! Aus den Fotos in „Ice Cold“ lässt sich keineswegs ablesen, dass man als Rap-Star durch Spotify heute weniger Geld verdient als früher mit physischen Tonträgern. Die iced-out Ketten, Grillz, Ringe und Uhren jüngerer Stars wie Megan Thee Stallion und Tyler the Creator stehen jenen von alten Ikonen wie Eric B. & Rakim oder Tupac Shakur in nichts nach.

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Interessanterweise werden im Buch nicht ein einziges Mal die Wörtchen „fake“ oder „faux“ verwendet, und auch über „realness“ wird nicht philosophiert. Die Herausgeberin Vicki Tobak, die weiß ist, maßt sich nicht an, zu fragen, ob alle Diamanten im Rap-Game wirklich echt sind. Sie übernimmt so gesehen die Argumentation des Rap: Diamanten sind dann echt, wenn sie als Diamanten bezeichnet und präsentiert werden. Alles andere wäre auch respektlos. Immerhin ist Bling eine Selbstermächtigungs-Strategie von Menschen, deren Vorfahren als Sklaven einst allen Reichtum hinter sich lassen mussten.

Too Funky: Warum 2022 die Gesichter aller Frauen schön sein dürfen

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 09/2022.