Blind Date

Blind Date mit Ricarda Lang: „In meiner Jugend musste man sich entscheiden: War man Tokio Hotel oder US5?“


Für die einstige CDU-Vorsitzende Angela Merkel wurde auf Parteitagen schon mal „Angie“ von den Rolling Stones abgespielt. Dagegen wäre es für Ricarda Lang (geboren 1994 in Filderstadt), die aus der Grünen-Jugend stammt und heute zusammen mit Omid Nouripour Bundesvorsitzende der Partei ist, nichts, mit Musik auf die Bühne einlaufen zu müssen. Ließe es sich allerdings gar nicht vermeiden, entschiede sie sich für „Run The World (Girls)“ von Beyoncé.

Als die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen vor ein paar Jahren in eine WG gezogen ist, dachte ihr Mitbewohner, sie sei ständig auf Liebeskummer. Denn aus Langs Zimmer schallte ununterbrochen Heartbreak-Musik. Dann aber Entwarnung – sad songs sind einfach ihr Ding. Doch auch darüber hinaus kennt sich die Berlinerin mit Ba-Wü-Hintergrund im Popgeschehen aus. Wir präsentieren unser Blind Date des Jahres 2022.

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Tocotronic – „Nie wieder Krieg“

Ricarda Lang: Das ist Tocotronic natürlich. An der Band bin ich altersmäßig gerade so vorbeigeschrammt. Dass sie zuletzt mal wieder auf Tour waren, weiß ich. Weil ganz viele Menschen aus meinem Freundeskreis dem entgegengefiebert haben. Ich kenne einige, bei denen die Band die erste Liebe, den ersten Herzschmerz, aber auch erste politische Momente begleitet hat. Dieser Song kam im Januar raus, meine ich? Also kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. Dadurch hat er von einem zum anderen Moment auch noch mal eine andere Schwere erhalten.

Warst du als Berufspolitikerin auf den Kriegsbeginn vorbereitet oder hat er auch dich überrascht?

Ricarda Lang: Eigentlich begann der Konflikt schon 2014 mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Putin. Es gab dann in den letzten Jahren immer wieder Warnungen, vor allem auch aus osteuropäischen Ländern und dass sich die Situation verschärft, wusste ich natürlich. Ich hatte im Vorfeld also große Sorge, aber, dass es tatsächlich zu diesem Angriffskrieg auf europäischem Boden komme könnte, habe ich mir – wie wohl kaum jemand – nicht vorstellen wollen.

Wenn du kein Tocotronic-Ultra bist, gibt es einen anderen Antikriegssong, den du sehr schätzt?

Ricarda Lang: Nicht direkt, aber es gab nach Kriegsbeginn große Demonstrationen und Solidaritätsaktionen für die Ukraine, hier am Brandenburger Tor fand etwa das „Sound Of Peace“-Solidaritätskonzert statt. Relativ am Ende kam Marius Müller-Westernhagen auf die Bühne und hat „Freiheit“ angestimmt. Man hat ganz viele Ukrainer*innen, die hier in Deutschland leben, gesehen, die dieses Stück mitgesungen haben. Das war ein bewegender Moment. Gerade dieser Song wurde zuletzt von Querdenkern instrumentalisiert. Deshalb empfand ich es auch als so ein starkes Zeichen, dass Westernhagen es an dieser Stelle gespielt hat und sich mit Menschen verbunden hat, die wirklich für Freiheit kämpfen. Die Vorstellung der Querdenker, frei von gesellschaftlichen Verhältnissen und Solidarität leben zu können, hat mit tatsächlicher Freiheit nichts zu tun. Von den zum Teil menschenfeindlichen Verschwörungserzählungen ganz zu schweigen.

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Lizzo – „About Damn Time“

Ricarda Lang: Das ist Lizzo, oder?

Genau.

Ricarda Lang: Ich weiß nur den Titel des Liedes nicht, aber ich höre sie gern und folge ihr auf Social Media. Gerade auf TikTok ist mir ihre Musik sehr oft begegnet dieses Jahr. Was mir besonders auffällt: dass Lizzo so viel Spaß verbreitet. Wenn ich ihre Lieder höre, ihre Videos sehe, dann habe ich das Gefühl, diese Person hat selbst unfassbar viel Vergnügen an dem, was sie tut. Das färbt ganz schnell ab.

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DJ Robin & Schürze – „Layla“

Ricarda Lang: Oh je! Ich habe versucht, mich so wenig wie möglich mit diesem Lied und der Debatte drumherum zu beschäftigen. Keine Ahnung, wie die Band dazu heißt. Mir war die Diskussion von fast allen Seiten zu undifferenziert und die Aufregung um das Lied zu überzogen. Interessanterweise ist es am Ende aber oft doch so: Diejenigen, die sich am meisten über Identitätspolitik beschweren, führen die meisten identitätspolitischen Debatten. Gern ohne mich.

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Grim104 – „Bam Margera“

Ricarda Lang: Das kann ich nicht zuordnen…

Das ist Grim104 von Zugezogen Maskulin.

Ricarda Lang: Ja, stimmt, bei Grim und Testo war ich sogar schon im Podcast zu Gast. Das redigieren wir später raus, dass ich ihn nicht gleich erkannt habe (lacht)! Das ist so ein cooler Podcast, den die beiden da betreiben. Er heißt „Zum Dorfkrug“ und sie laden Leute ein, die aus einem Dorf kommen. Ich bin zwar nicht total vom Lande, aber in einem Vorort einer Kleinstadt aufgewachsen, daher hat das gut gepasst. In diesem Kontext über die ländliche Jugend zu reden, auch über rechte Strukturen und Politisierung auf dem platten Land, ist ein echt spannendes Format.

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Taylor Swift – „Anti-Hero“

Ricarda Lang: Taylor Swift natürlich! Die höre ich sehr, sehr viel. Damit habe ich vermutlich meine ehemalige WG und jetzt meinen Partner an den Rand des Wahnsinns gebracht, weil ich jemand bin, die gern auf Repeat hört. Am meisten bin ich auf ihr Album FOLKLORE eingestiegen. „Exile“ ist eines meiner All-time-Lieblingsstücke. Aber auch die neue Platte MIDNIGHTS, die im Oktober erschienen ist, lief bei mir schon hoch und runter.

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Kraftklub feat. Tokio Hotel – „Fahr mit mir (4X4)“

Ricarda Lang: Da komme ich jetzt nicht drauf…

Das sind Kraftklub, es singt aber auch Bill Kaulitz von Tokio Hotel.

Ricarda Lang: Die Stimme kam mir gleich bekannt vor. Von der Kollaboration hatte ich schon gehört – das Lied selbst aber noch nicht.

Kraftklub und Tokio Hotel sind im weitesten Sinne auch Boygroups, hattest du hinsichtlich dieses Phänomens mal einen Crush?

Ricarda Lang: Als ich Jugendliche war, tobte ein riesiger Streit – war man Tokio Hotel oder US5? Man musste sich entscheiden. Ich gestehe, ich war nichts von beidem so richtig, aber das hätte ich damals keinem sagen können. Also entschied ich mich für Tokio Hotel, die fand ich als Zwölf- oder Dreizehnjährige dann doch noch ein bisschen cooler.

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Kate Bush – „Running Up That Hill“

Ricarda Lang: Ich führe das Interview jetzt gerade aus meinem Bundestagsbüro heraus und meine Büroleiterin meinte im Vorfeld zu mir: Falls ‚Running Up That Hill‘ kommt, soll ich einmal sagen, dass Kate Bush die beste Sängerin der Welt ist! Somit erledigt. Ich war aber auch selbst mal bei einer spannenden und etwas kuriosen Kate-Bush-Veranstaltung, einer Art Tanz-Flashmob. Auf dem Tempelhofer Feld in Berlin treffen sich einmal im Jahr Hunderte von Leuten, die in roten Kleidern, wie im Musikvideo von ‚Wuthering Heights‘, gemeinsam die Choreographie des Clips nachtanzen. Ich kann selbst nicht tanzen, hatte kein rotes Kleid, aber ich habe eine Freundin begleitet – und es war auch ohne mitzumachen ein besonderer Moment.

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Dieses Interview erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 01/2023.