blind date „Mein Gott, ist das kindisch“
Mit Protestsongs kann man bei Franz Ferdinand keinen Blumentopf gewinnen. Trotzdem freuen sie sich über das ME-Liederraten, das nach neun Monaten Tournee, Interviews und TV-Auftritten fast schon Erholung ist.
Morgen früh nach London, vom Flughafen direkt ins Fernsehstudio; übermorgen Konzert in München; am nächsten Tag zurück nach Manchester, um auf Einladung von Morrissey dessen Vorprogramm zu bestreiten. Dann ist endlich Sonntag, aber da steht abends ein Auftritt in Wien an. „Wir sind jetzt schon ein bisschen müde“, meint ein ungewöhnlich blasser Nick McCarthy an einem sonnigen, warmen Tag in München. Seit August 2003 sind Franz Ferdinand fast ununterbrochen auf Achse und der Bedarf steigt weiter. Heute steht die Pro 7-„Chart Show“ auf dem Programm. Weil der Band niemand gesagt hat, dass die Sendung „powered by McDonald’s“ ist, und sich bei solchen Gelegenheiten kichernde Mädchen auf den Gepäckträgern ihrer Fahrräder an der Hofwand entlang drücken, haben sich Bob Hardy, Alex Kapranos und Paul Thomson leicht verstimmt auf „einen kurzen Spaziergang“ verabschiedet. Als Franz Ferdinand am späten Nachmittag wieder komplett und vor allem bei bester Laune sind, werden drei Telefoninterviews „mit Brasilien“ vertagt, um ein bisschen Musik zu hören.
Morrissey Irish Blood, Enqlish Heart
ALEX: Morrissey, oder? Super! Nächstes. (Alle lachen) Wie kommt ’s, dass ihr mit Morrissey spielt ?
ALEX: Er hat uns gefragt und wir haben zugesagt. Aber das wird unser letzter Auftritt als Vorgruppe überhaupt sein. Irgendwann willst du nicht mehr Vorgruppe sein. Und wenn du vor Morrissey gespielt hast, dann kommt danach eh nichts mehr.
In England nimmt man ihm gerne übel, dass er seiner Heimat den Rücken gekehrt hat.
ALEX: Wir nicht. Warum auch? Mich überrascht das nicht. Wenn man überlegt, wie die englische Presse mit ihm umgesprungen ist… Er wurde wie ein Exilant behandelt, also ist er auch einer geworden.
Talking Heads Life Dunng Wartime
paul (sofort): Das sind die Talking Heads! Live. Mit Bernie Warrell von Funkadelic am Synthesizer. ALEX: Ich hätte gerne so ein Clavinet [ein Hohner-Synthesizer, der Saiten anschlägt, Anm.d.Red]. Sehr interessant, welche Synthies die benutzt haben. NICK: Ja. Die hatten zwei Stück (lehntsich vor, um das Weltraum-Keyboard-Solo besser hören zu können). Als das während des Kalten Krieges veröffentlicht wurde, hat man diskutiert, ob das ein Protestsong ist. Ist es dafür überhaupt ernsthaft genug ?
ALEX: Nichts ist ernsthaft genug, um ein Protestsong zu sein. Das klappt nur ganz selten. Ich kenne keinen Protestsong, der mir gefallt. Die meisten sind schlimm. Neulich hab ich „Blowin“ In The Wind“ gehört, weil ich plötzlich Bob Dylan für mich entdeckt habe. Mein Gott, ist das kindisch. Die Bilder sind so naiv, aber nicht auf eine gute Art. paul: Public Enemy haben Protestsongs gespielt. alex: Ja, ja, das stimmt. Sowas ziehe ich vor.
Belle & Sebastian If You Find Yourself Caught In Love
(Ausdruckslose Gesichter während des ewigen Piano-Intros. Alex ist mit dem Kopf sowieso noch woanders) Alex: … oder die Specials! Die waren eine gemischtrassige Band und haben vor Skinheads gespielt! Ein fantastischer Akt des Protests. Und viel revolutionärer, als wenn du „Bitte werft keine Bomben“ singst. Ich mag nicht, wenn Leute bevormundet werden. Was ist denn das jetzt? Ein Weihnachtslied?
(Ab es bei 1.03 der Gesangeinsetzt, brechen alle in überraschtes Gelächter aus.) nick: Das Intro fand ich doof, wenn ich ehrlich bin. ALEX: Aber irgendwie hat es mich an ANOTHER Green WORLD von Brian Eno erinnert.
Kennen sich alle schottischen Bands?
ALEX: Die meisten. Texas kennen wir nicht. Und auch nicht die Simple Minds. Aber Glasgow ist nicht groß. Da trifft man sich, wenn man Musik macht.
Stuart Murdoch wirkt manchmal wie ein ziemlich strenger Bondieader. Könnt ihr das bestätigen ?
ALEX: Kann schon sein, dass er so eine passive Aggressivität hat. Ich glaub nicht, dass er .Mach das noch mal“ schreit, aber ich könnte mir vorstellen, dass er sich mit beleidigter Miene abwendet… (Alle lachen) Aber das ist auch okay, denn er ist sehr motiviert. Er hat super Ideen. Belle & Sebastian sind super.
The Kinks David Watts
ALEX: The Kinks. Brillant. Ich hab neulich ein Interview gesehen, in dem Ray Davies über die Zeit zwischen 1967 und 1970 gesprochen hat, als die Kinks in Amerika Einreiseverbot hatten. [1965 verbannte die U S -Regierung die Kinks – wohl nach Problemen mit der Steuerbehörde – von amerikanischem Boden, Anm.d.Red.] Die Beatles, The Who und die Rolling Stones waren in der Zeit alle in den USA auf Tour und verwandelten sich in Rockbands. Nur die Kinks haben immer noch bizarren englischen Pop gespielt. Was wohl aus den anderen geworden wäre, wenn sie sich nicht so sehr auf Amerika konzentriert hätten?
Nick, hast du während deiner Zeit in Deutschland überhaupt was von den Kinks mitbekommen ?
NICK: Oh ja. Ich hätte bei einem Bandwettbewerb beinahe mal gewonnen, als Vorgruppe für die Kinks auftreten zu dürfen. Die Zweitplatzierten duften vor den Kinks spielen, aber wir haben gewonnen, und… alex: Das ist ja absurd (Alle lachen sich scheckig).
ALEX: Die Gitarren sind zu verzerrt. BOB: Als wir unser Album aufgenommen haben, wollten wir mit dem Produzent Tore Johansson immer über Joy Division und New Order reden. Einfach so, als Bezugspunkte. Und er hat gesagt: ,Ach, sowas mag ich nicht, die kenn ich nicht…“ alex: Er hat gesagt: „Ich hasse diese dumme Studenten-Musik“. Haha! Jetzt hat man ihn gefragt, ob er einen Song von New Order produzieren will.
Hat er zugesagt? ALEX: Natürlich, sofort! (Alle lachen)
Trio Broken Hearts For You And Me
nick: Ah, Trio, Haha! paul: (singt) Dadadum-dadadum. „Ja Ja Ja“. nick: Das hab ich in Paris aufgelegt. Ging in die Hose. Moment! Das ist „Broken Hearts For You And Me“ das hab ich mal aus Versehen in Liverpool aufgelegt, als ich „Ja Ja Ja“ spielen wollte. Alle sind geflüchtet.
Charles Mingus Pithecanthropus Erectus
Das ist „ein tonales Gedicht in vier Bewegungen über die menschliche Evolution von Stolz und Leistung über Anmaßung und Sklaverei bis hin zur Vernichtung.“
nick: Mingus! Er war verrückt. Aber auch genial. Ich hab im Studium Songs von ihm gespielt. Vielleicht war er ein bisschen zu ernst. Er hat Jazz-Workshops veranstaltet, bei denen zwischen den Songs niemand klatschen durfte, weil das hohe Kunst sein sollte, oder so. Haha! Aber grandios in seiner Frühphase. ALEX: Das gibt es in allen Genres: Leute fangen mit Enthusiasmus an und verlieren später alle Magie.
Queen Seven Seas Of Rhye
PAUL: The Who, oder? bob: „Pinball Wizard“, stimmts? PAUL: Ach! Queen, „Seven Seas Of Rhye“! Erste LP?
Die zweite.
paul: Auf der ersten ist ein Instrumental, das schon eine Art Skizze davon war. (Alle versuchen gleichzeitig, die Queen-Diskografieaufzuzählen.) War das eine gute Phase von Queen ?
nick: Unbedingt. Auch hier gilt: Je älter sie wurden, desto schlechter waren sie. PAUL: Wir hören immer Queen, bevor wir auf die Bühne gehen: „Don’t Stop Me Now“.
Bambi Dexter Detachment
(Es rockt. Ratloses Schweigen in der Runde.) nick: Das klingt wie die Band von meinem Bruder.
(Alle lachen) Das IST die Bond von deinem Bruder. alle: HAHAHA! (Etwa eine Minute wildes Durcheinander, hysterisches Gelächter, Schenkelklopfen.) nick: Sehr gut. Haha! Wehe, einer sagt was Falsches! alex: Nein, nein! Echt super! «-
New Order feat. Moby, Billy Corgan, John Frusciante New Dawn Fades
NICK: Sind das Rammstein?
PAUL: Das ist ein Joy-Division-Cover.
nick: Ach, stimmt. Nine Inch Nails?
New Order mit Moby, Billy Corgan und Frusciante.
alle: WAS?!
Aufgenommen bei Mobys „AreatOne -Tour, 2001.