Bill Laswell: Hintermann


Seine größten Erfolge sind die Hits anderer. Bill Laswell ist das Genie hinter den Kulissen: der Mann, der Herbie Hancock mit "Rokkit" aus der Versenkung holte - der Mann, der Laurie Anderson und Motörhead und Mick Jagger und P.I.L. und Sly & Robbie und einfach alle produziert - und zur Entspannung aberwitzig laute Improvisationen spielt

Wer ist Bill Laswell? – Fragt man die Leute, die er produziert hat, dann gibt’s darauf ein Dutzend Antworten.

Laurie Anderson, die mit Bills Hilfe auf MISTER HEARTBREAK von der bloßen Performance-Künstlerin zur Musikerin wurde, beschrieb mir sein Auftreten: „Bill ist so still. Er sitzt einfach da mit seiner Baseballkappe und hört zu. Wenn er aber doch mal was gesagt hat, dann hatte das immer Hand und Fuß.“

Motörhead waren anderer Meinung. Nachdem Lemmy mit Laswell auf ORGASMATRON zusammengearbeitet hatte, entschied er, daß ihn Bills Exzentrik an Captain Beefheart erinnere.

Erz-Zyniker John Lydon wurde von Laswell während der Aufnahmen zu PILs Album dermaßen rangenommen, daß er „Ich kann nicht mehr“ in sein Bier heulte. Laswell hatte seine Begleitband gefeuert und das Studio mit Afrikanern, Indern und Japanern plus einem halben Dutzend Jazz-Legenden und Ginger Baker am Schlagzeug gefüllt. Der arme Lydon war völlig verunsichert und verstört.

Mick Jagger beschrieb Bills Arbeit an SHE’S THE BOSS als „intellektuell“. Sly & Robbie, bestes Reggae-Rhythmus-Duo weit und breit, bewundern Bills Gespür für street music. Laswell war es. der den richtungslosen Herbie Hancock in die 80er hinüberrettete, indem er ihn mit „Rockit“ und den Alben FUTURE SHOCK und SOUND SYSTEM zum Scratch und Electrofunk brachte. Laswell war es auch, der den Hip Hop DJ Afrika Bambaataa über die Bronx hinaus bekannt machte … Laswell, der mit Waylon Jennings über irgendein unglaubliches Country/Reggae-Projekt redet … Laswell, der in Korea obskure ethnische Volksgruppen auf Band nimmt… Laswell, der – stolz auf seine Unkommerzialität – die Plattenfirma „Enemy“ gründet, die die Ausflüge seiner Band Last Exit in die Gefilde improvisierter Musik dokumentiert… Laswell, der Sly Stone wieder auf den Plan bringt… und sich mit Miles Davies herumtreibt …

Der Leser fragt sich, wie jemand so viele verschiedene Schuhe anziehen kann? „Im Studio“, erklärt Bill zwischen zwei Bieren (der in Detroit geborene Bassist ist bekannt dafür, daß er gerne mal einen hebt), „entwickelt eine Platte immer ihre eigene Identität, und der bleibe ich treu. Bevor ich ein Projekt angehe, stelle ich erst sicher, daß die Plattenfirma nicht dazwischenfunken kann. Denen gegenüber fühle ich mich überhaupt nicht verpflichtet. Selbst den Künstlern gegenüber fühle ich mich nicht übermäßig verpflichtet, nicht einmal mir selbst. Die Platte stellt sich selbst in den Vordergrund.“

Wenn er nicht im Studio ist, tourt er mit Last Exit. dem vermutlich lautestem und freiestem Quartett der Musikgeschichte. Sie machen improvisierten Blues-Rock-Free Jazz, mit Bill an der sechsseitigen Baßgitarre, dem deutschen Saxophonisten Peter Brötzmann und zwei elementaren Figuren des schwarzen Avantgarde-Jazz: Gitarrist Sonny Sharrock und Schlagzeuger Shannon Jackson. Bei ihren Auftritten spalten sie das Publikum in zwei Lager: Die eine Hälfte ist fasziniert, während die anderen schreiend das Weite suchen – unter ihnen oft Fans von Bills Disco-Produktionen.

„Fast alles, was ich mache, wächst wirklich aus dem Spielen. Und wenn ich mit Last Exit improvisiere, entstehen Dinge, die ich im Studio verwenden kann. Zum Beispiel ist auf Ginger Bakers Platte ein Stück, das auf einer Schlagzeug- und Baßlinie basiert, die während eines Auftritts in Paris entstand. Ich hab um diese Figur einfach ein Stück geschrieben. „

Laswells Terminkalender für 1987 ist jetzt schon voll. Produktionstermine mit Peter Gabriel und Iggy Pop sind gebucht, und Bill hat auch Herbie Hancock und Bootsy Collins zusammengebracht, um die Möglichkeiten. Improvisation mit Hard Funk zu verbinden, neu auszuloten. In Japan sollen Last Exit mit afrikanischen und koreanischen Perkussionisten, Herbie Hancock und Santana ein Konzert geben.

Japan wird für Laswell überhaupt immer wichtiger. Kürzlich hat er einen Produktionsvertrag mit Ryuichi Sakamoto unterschrieben; einmal im Jahr ist er im Auftrag der CBS als Fernost-Talentscout unterwegs. Eine heiße Combo aus Okinawa hat er bereits entdeckt.

Laswell, freundlich aber durch und durch dickköpfig, regelt die Dinge auf seine Art und hat den Beruf des Produzenten neu definiert. Während Sie dies lesen, wird er mit Peter Brötzmann eine Platte für Baßgitarre und Baß-Saxophon eingespielt und bei einer Neu-Aufnahme von „Soul Makossa“ mit dem legendären Kameruner Saxophonisten Manu Dibango mitgewirkt haben.

Wer ist Bill Laswell? – Ein Typ, der die Bedeutung von Kategorien nicht kennt? Nein, so ist es nun auch wieder nicht. „Wenn du versuchst, alles auf einmal zu machen, wirst du wahnsinnig. Ich habe gelernt, die Unterschiede zwischen den Wirkungsarten verschiedener Musik zu erkennen. Ich stelle darüber keine Theorien auf, aber ich bin sicher, daß es zwischen all den Platten eine Verbindung gibt. Es wird noch ein paar Jahre dauern, bis wir das alles etwas objektiver betrachten und herausfinden können, was wir da gemacht haben.“