Festivalbericht

Besuch beim Lollapalooza Berlin 2019: 4 Dinge, die uns beim Hauptstadtfestival aufgefallen sind


Zum fünften Mal gastierte das Lollapalooza in der Bundeshauptstadt. Wir waren auf dem Berliner Festival unterwegs und haben für Euch vier Beobachtungen, die wir im Schatten des Olympiastadions gemacht haben, festgehalten.

Die Berliner Niederlassung des weltweit agierenden Festivalriesen Lollapalooza feierte in diesem Jahr ihr erstes kleines Jubiläum: Zum 5. Mal fand das von Jane’s-Addiction-Sänger Perry Farrell begründete Open-Air bereits in der Bundeshauptstadt statt, zum zweiten Mal auf dem Gelände des historischen Olympiastadions im Westteil Berlins.

Unser Autor hat sich am ersten Festivaltag, dem Samstag, für Euch unter das Festivalvolk gemischt, sich Shows von Deutschrappern, die nach Mythos stinken, Popstars, die es live nicht bringen und Gitarrenacts, die offenbar keine Sau interessieren, angeschaut. Seine Beobachtungen findet Ihr hier:

Dendemann steckt alles und jeden in die Tasche

Er sagt es ja selbst auf seinem aktuellen Album DA NICH FÜR!: Dendemann hat in der jüngeren Vergangenheit alles dafür getan, nach Mythos zu stinken – jahrelang keine Musik veröffentlicht und stattdessen den kauzigen Sidekick in Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“ gegeben. Doch nun ist Dende wieder zurück und beweist beim Lollapalooza, dass er vielmehr den Status einer lebenden Legende einnimmt.

Sei es Technik, Flow oder Spontanität – der Livekünstler Dendemann steckt zeitgenössische Deutschrapper in allen Kategorien mit links in die Tasche. Hinzu kommt, dass seine neuen politischen Lines von DA NICH FÜR! wahrscheinlich nirgends so wunderbar einschlagen wie auf dem Lolla-Gelände im Schatten des historisch aufgeladenen Berliner Olympiastadions. Nach dieser Show hofft man nur zu sehr, dass es sich Dende auf absehbare Zeit nicht wieder in einem Kölner TV-Studio gemütlich macht. Wobei: So eine politische Talkshow mit Dendemann als Host hätte sicher ihren Reiz.

Dendemann :: Da nich für! 

Billie Eilish implodiert live

Es mag sein, dass sie eine Pop-Innovatorin ist. Es ist offensichtlich, dass sie eine Stil-ikone für die Jugend ist. Sieht man sie jedoch live performen, verpufft der Hype um Billie Eilish ganz schnell.

Auf dem weitläufigen Maifeld, das sie von der Main Stage aus beschallen soll, geht Billie Eilishs ohnehin extrem dünne Stimme im Gesang und Gekreische ihrer völlig hemmungslosen Fans komplett unter. Mehr als ein wenig dumpfe Bässe und die Einschläge der Snare-Drum drängen nicht ins hintere Drittel der Besuchermassen, die sich den Popstar der Stunde nicht entgehen lassen wollten.

Zwar spricht der Publikumsandrang klar dafür, dass Billie Eilish problemlos einen Headliner-Slot für sich hätte beanspruchen können, musikalisch funktionieren ihre filigranen Post-Bassmusik-Origami jedoch einfach nicht in einer Open-Air-Location wie dem Lollapalooza. Billie Eilish ist – und bleibt fürs erste – nicht mehr als gute Kopfhörermusik und ein Versprechen für die Zukunft.

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Die Alternative Stage macht sich selbst entbehrlich

Das Lollapalooza Berlin ist Massenfestival. War es von Beginn an, wird es wahrscheinlich immer bleiben. Zu heterogen, zu weit gestreut ist das Line-up dafür, als dass es sich jemals als etwas anderes profilieren könnte. Das Dilemma, das da hinter liegt, alles und jeden ansprechen zu wollen, kriegt insbesondere die Alternative Stage mit voller Wucht ab.

Auch wenn das Booking der Bühne lobenswert ist, sind es nicht Acts wie Pale Waves, Courtney Barnett, Princess Nokia und Rex Orange County, die Tickets verkaufen. Das Lolla lockt die Leute vor allem mit den Kings Of Leons und Martin Garrixs dieser Welt an – worunter erstgenannte Acts dann leiden müssen: Sie gehen zwischen all der Massenbeschallung im künstlerischen Reservoir der Alternative Stage unter.

Eine Courtney Barnett etwa, die wahrlich kein Act ist, der auf einer Solo-Tour nur 300er-Clubshows spielt, kriegt nicht einmal die erste Welle vor der Alternative Stage zur Hälfte gefüllt. Wie erklärt man als Veranstalter seinen Künstlern eine solche Diskrepanz? Was macht das mit einem Musiker, vor wenigen hundert Menschen auf einem 85.000-Menschen-Festival zu spielen? Fest steht: Aktuell ist die Alternative Stage ein heikles Konstrukt für das Lollapalooza.

Das Olympiastadion ist endlich eine vollwertige Stage

Die Aufregung war riesig im vergangenen Jahr: Die Elektro-Bühne des Lollapalooza Berlin, die Perry’s Stage, befand sich im Innenraum des Olympiastadions. Das Problem: Besucher durften ebenfalls nur den Innenraum betreten, was spätestens beim Auftritt von Headliner David Guetta zu Gedränge und Frust vor den Einlassschleusen führte. Verständlich, schließlich blieben gut 70.000 Sitzplätze auf den Rängen des Olympiastadions ungenutzt.

In diesem Jahr machten es die Veranstalter besser und öffneten auch die Ränge für das Publikum. Das hatte den Effekt, dass nun wirklich alle Interessierten einen Blick auf die Hyper-Hyper-Show Scooters und DJ-Bubi Martin Garrix werfen und dem Gedränge des Innenraums entfliehen konnten. Obendrein etablieren sich die aschgrauen Sitzschalen der Tribünen zu willkommenen Erholstationen für Festivalbesucher mit müden Beinen. Wenn es nun auch noch mehr als nur drei Trinkwasserstationen geben würde, das Lollapalooza könnte sich zu einem echten Wohlfühlfestival entwickeln.

Ob, wann und wo das Lollapalooza Berlin 2020 stattfinden wird, ist momentan noch unbekannt.

Mit Olli Schulz, Rita Ora und Ufo361: Seht hier die Auftritte vom Lollapalooza Berlin im Stream
Joseph Okpako WireImage
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Gina Wetzler Redferns