Astrud Gilberto
Gevatter Trend hatte die Nachfrage kräftig angeheizt: Ein vor Neugier dicht gedrängtes Publikum ließ die Temperatur in der Fabrik ansteigen – und die Band sorgte mit einem halbstündigen Latin-Jazz-Intro dafür, daß die charmante „Lady of Bossa Nova“ (Originalton Ankündigung) einen brodelnden Laden vorfand.
Man nimmt Astrud Gilberto gerne ab, daß sie immer wieder bescheiden über den Rummel staunt, den schon ihr bloßes Erscheinen entfacht. Sehen will man sie, sich überzeugen, wie unglaublich mädchenhaft die Ausstrahlung einer immerhin 44jährlgen sein kann. Astruds Stimme klingt vertraut – wie in den 60ern, als sie mit Stan Getz den Mega-Bossa „Girl From Ipanema“ aufnahm, mit dem man sie fürderhin unerbittlich identifizierte.
Was macht den Reiz ihres eigenwillig intonierten Gesangs aus? Das Schweben zwischen kühler Eleganz und unprofessioneller Intimität, zwischen Unschuld und Verruchtheit? Astrud verkörpert die Einheit solcher Extreme auch fürs Auge: ein unpretentlöses Geschöpf im lasziv-schwarzen Kleid.
Unwiderstehlich auch ihr Repertoire: Bossa-Klassiker aus der Feder ihres Ex-Gatten Joao Gilberto, von Antonio Carlos Jobim, Jorge Ben und Baden Powell. Desafinado, Waves, Zazueira – im meist knappen Gewand, weniger melancholisch als gewohnt. Astruds Sohn Marcello spielt Baß, mischt dezent Funk in die Samba-Figuren. Ebenfalls sehr jung (was man vom Publikum nicht behaupten kann) ist der Posaunist, dessen Soli und zarte Melodiedopplungen viel zum Reiz der Arrangements beitragen. Nur das Piano klingt gelegentlich nach Jazz-Akademie.
Auf Dauer tut diesem „Bossa-Revlval“ frisches Blut entschieden gut. Die neueren Songs mit afrokubanischem Salsa-Einschlag stammen zumeist von Jobims Sohn Paolo – einem Gitarristen, der leider nicht mit an die Elbe kam. So kann man die Vielfalt der aktuellen „Muslca Populär Braslleira“ zumindest ahnen.
Warum nicht mehr davon? Daß die Hamburger so um die zehn Zugaben erklatschten, ist bestimmt kein guter Grund, fast nur Standards zu spielen.