Arcade Fire


"„Komisch", „"seltsam" und "„sonderbar". Der Prog- beeinflußte Indie-Rock der Band aus Montreal ist kaum mit Worten zu beschreiben.

Vergeblich versichert Multi-instrumentaiist Win Butler wieder und wieder, daß Arcade Fire „trotz aller Exzentrik eine Pop-Band“ sind. Nein, Arcade Fire sind keine Pop-Band. Sie sind eine Operation am offenen Herzen, ein kleines kanadisches Wunder. „Ich hab‘ Klassik gehört, MARY POPPINS und sonderbare Voodoo-Planen aus Haiti“, sagt Butler, fragt man ihn nach den Einflüssen, die das Debüt FUNERAL so undurchschaubar machen. „Sonderbare“ Voodoo-Platten, natürlich. Überhaupt ist plötzlich alles „sonderbar“, „komisch“ und „seltsam“ (siehe auch S. 84), wenn es um die Musik von Arcade Fire geht. Warum fehlen uns präzisere Worte, wenn wir über dieses Album sprechen, das nicht weniger als eine vom Tod und seiner Verarbeitung inspirierte, existentialistische Gratwanderung zwischen Progrock und Indiepop ist? Warum fällt es uns so schwer, diese Mischung aus Schmerz, Hoffnung und hoffnungslosem Pathos zu verstehen? Wo doch erst kürzlich The Dears mit ihrem wunderbaren NO CITIES LEFT gezeigt haben, daß sich der Überschwang derzeit in Kanada am wohlsten fühlt, „ich hab‘ früher in Chören gesungen“, verrät Butler, der ursprünglich aus Texas stammt, Arcade Fire aber im kanadischen Montreal gegründet hat. „Regine hat in der Kirche Orgel gespielt. Ich war lange in einer Mittelalter-Band, hab ein Kostüm getragen, in alten Sprachen gesungen und Blockflöte, Mandoline undTamburin gespielt.“ Ungeheuerlich, eigentlich. Und doch so faszinierend. Nordamerika bekam das Debüt-Album schon vor Monaten zu hören und lag dem Quartett Ende des Jahres zu Füßen: In der Liste der Village Voice, deren Redaktion die besten Alben von 2004 mit Hilfe von 800 Kritikern ermittelte, landete FUNERAL auf Platz 6. „Wird unsere Platte überbewertet“, fragt sich Win Butler da gelegentlich. „Ich weiß es nicht. Vielleicht. Ich bewerte keine Platten und mache auch keine Listen. […] Aber hör dir mal ,I Am The Walrus‘ an und vergleiche das mit unseren Songs. Give me a fucking break! Die Streicher-Arrangements, der Drum-Sound, derVocal-Sound – das ist ein Kunstwerk. Und es ist 40 Jahre alt. Wir haben einiges aufzuholen…“

Arcade Fire – FUNERAL (Rough Trade/Sanctuary/Rough Trade)