Ambitious Lovers
Es ist immer wieder erstaunlich, welche Größe ein Musiker, der nach herkömmlichen Handwerker-Kriterien in die Kategorie „Dilettant“ eingestuft würde, im richtigen Kontext zu entwickeln vermag. Richtig, von Arto Lindsay ist die Rede, dem ehemaligen Hans Dampf-in-allen-Gassen der New Yorker „No Wave“-Szenerie und jetzt zusammen mit dem Keyboarder Peter Scherer kreative Keimzelle der Ambitionierten Liebhaber.
Lindsays Gesang? Viele würden es gar nicht so nennen wollen, wenn er sich, sämtliche Gesetze zwischen Melodiebildung und Stimmführung ignorierend, übers Mikro hermacht. Sein Gitarrenspiel? Gewiß keine Lehrstunde für angehende Jung-Virtuosen, die mit leuchtenden Blicken auf seinem Griffbrett kleben. Keine Akkorde, keine Licks, keine kunstvoll konstruierten Solo-Treppchen; dafür scheinbar unvermittelte Ausbrüche auf einer vermutlich wieder mal ungestimmten Kaufhaus-Gitarre, die unter voll Strom zu stehen scheint, so heftig schüttelt’s den armen Arto zuweilen… Doch, wie gesagt, der Kontext macht’s – und hier, mit dieser Band, mit diesem Material, liegt Lindsay goldrichtig mit seiner lustvoll ausgelebten, mit sich selbst kokettierenden Scharlatanerie. Mühelos und perfekt, aber nicht sklavisch an die Plattenvorgabe gebunden, bringen die zum Sextett aufgestockten Lovers jene Mischung aus Funk-Rhythmik, Pop-Melodik und brasilianisch gefärbten Zwischenspielchen auf die Bühne, die schon auf dem unlängst veröffentlichten zweiten Album GREED zurecht soviel Lob eingeheimst hatte.
Die frisch eingespielte Band, darunter der früher in Diensten von Defunkt stehende Bassist Melvin Gibbs, trägt ein immenses Scherflein zum Gelingen bei, allen voran der exzellente Perkussionist Cyro Baptista. Eine Ohio-Players-Coverversion, die der ansonsten zurückhaltenden Gitarristin Ann Bauer endlich den wohlverdienten Solo-Auslauf beschert, mogelt sich bruchlos ins Eigen-Repertoire. Damit wollten die Lovers wohl ihre Funk-Credibility unter Beweis stellen – was zwar gar nicht nötig gewesen wäre, aber schön war’s dann doch.