All That Jazz!


Im Netz lässt sich Jazz-Geschichte an nur einem Foto studieren, für das sich die Elite der 50er Jahre traf.

Bevor Art Kane das berühmteste Foto der Jazz-Geschichte glückte, hatte er noch nicht ein einziges Bild als Profifotograf geschossen. Seine ersten Versuche mit der Kamera bezeichnete er selbst sinngemäß als „miserable failure“ ~ eine Wortkombination übrigens, die durch eine von Hackern installierte sogenannte „Google-Bomb“ vor Weihnachten wochenlang bei google.de zur offiziellen Biografie von George W. Bush (www. whitehouse.gov/president/gwbbio.html) führte. Als Kane im Sommer 1958 den Auftrag bekam, eine Geschichte über Jazz im Esquire-Magazine zu bebildern, bestellte er- „jung und naiv“ wie er selbst später sagte – zum Amüsement seiner Kollegen alle Jazz-Musiker, die er in New York kontaktieren konnte, an die Ecke i26th Street/Fifth Avenue in Harlem. Obwohl seine Chancen auf ein Gelingen dieses Vorhabens als nicht besonders hoch eingeschätzt wurden – Kane war ein namenloser Fotograf und hattezudem das Treffen bereits für 10 Uhr angesetzt -, erschienen an dem Augustmorgen im Jahr 1958 Dizzy Gillespie, Count Basie, Lester Young, Thelonious Monk, Sonny Rollins, Coleman Hawkins, Charles Mingus und über 50 weitere namhafte und einflussreiche Musiker und Musikerinnen. Das legendäre Foto, das bis heute mehrmals nachgestellt wurde (u .a. mit HipHop -Künstlern für ein Titelbild des Magazins XXL), lässt sich nun unter www.harlem.org genauestens studieren: In sechs vergrößerbaren Bereichen kann zu jeder einzelnen Person per Mouseclick Information abgerufen werden. Verbringt man genug Zeit mit dem Bild, erwacht es zum Leben: So erfährt man hier und auf den weiterführenden Links, dass Thelonious Monk, der bereits deutlich zu spät erschienen war, die Produktion durch große Unentschlossenheit bezüglich seiner Jackett-Wahl aufgehalten hatte. Als er sich schließlich für ein Sakko in „herausstechendem“ Weiß entschieden hatte, war Count Basie bereits so müde geworden, dass er sich – aus Sicht des Betrachters – rechts unten zu den Kindern auf den Bürgersteig gesetzt hatte. Zusätzlich zu derartigen Anekdoten finden sich auf dieser fantastischen Website, die ein Fan in San Francisco unterhält, eine jazzgeschichtliche Timeline, Platten- und CD-Empfehlungen, Informationen über die DVD „A Great Day In Harlem“, die Filmaufnahmen und Interviews vom Ort der Fotoproduktion enthält, sowie ein Link zu Art Kane. Unter www. artkane.com lässt sich anhand von äußerst sehenswerten Fotos von Louis Armstrong (1959), The Rolling Stones, Bob Dylan und Sonny &. Cher (alle 1966), Aretha Franklin (1967), Janis Joplin, Jim Morrison, The Who und The Mothers Of Invention (alle 1968) nachvollziehen, wie sich die Karriere des vielfach preisgekrönten russischstämmigen Amerikaners, der bis in die 90er Jahre als Modefotograf arbeitete, nach seinem glücklichen Erstlingswerk entwickelte.