Kolumne

Aidas Popkolumne: We Are All Made of Stars


Diesmal schreibt Aida nicht über Pop. Sondern darüber, ein winziger Mensch zu sein im großen Ganzen dieser Welt.

Heute schreibe ich nicht über Pop. Oder zumindest nur am Rande. Denn gerade sitze ich nicht wie sonst irgendwo an einem Schreibtischstuhl und höre jeden Tag neue Platten der Woche ab, sondern fahre quer durch die USA. Also so richtig, von Los Angeles, wo ich gerade vier Monate verbracht habe, nach New York, um von da nach Hause zu fliegen. Einmal quer durch, stundenlang auf schnurgeraden Autobahnen, jede Nacht irgendwo anders im Motel. Wüste, Berge, Nationalparks, Ruinen, Diners, Drive-Throughs. Ein großer Lebenstraum, und gleichzeitig auch ein irres Vorhaben, gerade jetzt, gerade in diesen Zeiten durch dieses seltsame Land zu fahren. In einer Geisterstadt in Arizona waren die einzigen Anzeichen für Leben Harris/Walz-Plakate an dem einen, und Trump/Vance-Plakate an einem anderen Zaun, im Reservat der Navajo Nation konkurrierten „Navajos for Trump“-Aufsteller mit Schildern der „Native Democrats“. In einer anderen alten Goldgräberstadt in Nevada verkaufte eine nette Frau im Süßigkeitenladen hausgemachte Schokolade und orangene Trump-Zuckerwatte, und in einer Selbahngondel im Skidorf Telluride in Colorado raunte ein Mitfahrer aus Tennessee uns zu, dass wir unbedingt so viele Nationalparks wie möglich noch sehen sollte, solange es sie noch gäbe.

Gestern stand ich in Mesa Verde, einem dieser besagten Nationalparks, und habe mir jahrhundertealte Überreste von indigenen Siedlungen angesehen. Dörfer und ganze Kleinstädte, die irgendwann aus unbekannten Gründen verlassen wurden. Ein paar Tage zuvor habe ich mir den Sonnenuntergang im Grand Canyon angeschaut und mir wurde ganz schwindlig vor so viel Schönheit, am nächsten Morgen schlich ich durch den Antelope Canyon, in dem Britney Spears das legendäre Video zu „I’m Not a Girl“ aufgenommen hat.

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Alle drei Orte hatten – außer einer Menge Steine – eines gemeinsam: An beiden waren die Besucher:innen auffällig still. Als würden wir alle das Gleiche fühlen, als würde uns allen gleichzeitig klar werden, wie klein und unwichtig und vergänglich wir doch sind, so als Menschen. Was für eine Fußnote der Geschichte die Existenz unserer Gesellschaften doch ist, so im Großen und Ganzen der Erd- und Menschheitsgeschichte betrachtet.

Auf den stundenlangen Fahrten von Ort zu Ort hören wir Country Radio und Neil Young und durchqueren Landschaften, die so schön sind, dass es kaum auszuhalten ist, aber gleichzeitig aufgrund der Klimakatastrophe sichtbar unter Dürren und Extremwetter leiden. Vielleicht macht mich diese Reise zum naiven Hippie, aber wenn man meilenweit an unfassbar schöner Natur voller sterbender Bäumen vorbeifährt, wirkt es ziemlich beknackt, wie wir uns so als Menschen anschreien, streiten, Grenzen hochziehen und uns gegenseitig das Leben schwer machen, wenn wir nicht gerade versuchen, uns gegenseitig zu vernichten. Warum wir uns so leicht teilen lassen, wenn es doch eigentlich darum gehen sollte, zusammen zu stehen angesichts einer Welt, die unterzugehen droht. Wobei es nicht die Welt ist, sondern allerhöchstens wir – die Welt dreht sich immer weiter, bis sie vielleicht eines Tages aus dem Solarsystem geschleudert wird oder in einem schwarzen Loch verschwindet oder „Star Wars“-mäßig als Kollateralschaden beim Kampf der Sterne draufgeht oder so.

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Aber who am I to talk? Genauso wie jede:r andere bin ich eine winzige Ansammlung von Sternenstaub, die zufällig gerade mal menschliche Form angenommen hat. Das einzige, was ich leisten kann, ist meine Menschlichkeit grenzenlos und universell zu halten und meine temporäre Existenz nicht für allzu wichtig zu nehmen in einer Welt, die an all ihren Ecken und Enden brennt. Kein Menschenleben mehr oder weniger wertzuschätzen als ein anderes. Mich gegen Logiken der Entmenschlichung angesichts der menschlichen Leidens in all den Kriegen und Konflikten auf der Welt zu schützen und Banden zu bilden mit allen, deren Sorge ebenfalls grenzenlos ist.

In den nächsten Tagen werde ich wieder stundenlang durch die Wüste fahren, vorbei an Steinmalereien und Ruinen, an Trump-Plakaten und toten Bäumen und stillgelegten Uran-Minen und Aufstellern, die auf diese Verseuchung der Landschaft aufmerksam machen wollen. Und ich werde wieder winzig und unbedeutend fühlen als kleines Häuflein Sternenstaub in dieser großen Welt. Ich wünsche mir, dass jeder diese Erfahrung machen kann. Vielleicht wären wir dann ein wenig zarter miteinander – und mit der Welt um uns herum.