Adeva


Der neue Stern am House-Himmel teilt kräftig aus. Die Männer kriegen ihr Fett ab, und auch Whitney Houston muß eine Watschen einstecken. Adeva als der Mike Tyson des Tanzbodens? ME/Sounds-Mitarbeiter Michael Reinboth stieg mutig zu Ihr in den Ring.

House lebt bekanntlich von Geschwindigkeit. Adeva hingegen hält von Speed herzlich wenig. Dann jedenfalls nicht, wenn es um die Karriere geht. „Mit der Riege der schnell verglühenden Pop-Sternchen möchte ich nichts zu tun haben“, stellt die kantige Schönheit mit dem Grace Jones-Touch unmißverständlich klar. „Die sind im Nu wieder in der Versenkung verschwunden.“ Adeva mag’s solide. Mit kurzlebigem Pop-Kitsch hat sie nichts am Hut. Dafür triefen Sex und Soul aus den Lautsprechern, wenn die House-Frau ins Mikro röhrt. Obwohl den Herren der Schöpfung dann meist warm um Herz und Hose wird, sieht sich Adeva nicht in der Rolle der großen Anmacherin. Dafür pocht denn doch das feminine Herz allzu stark in der wohlgeformten Brust. „Ich habe Aretha Franklins „Respect“ für all jene Frauen aufgenommen, die sich ständig mit irgendeiner bescheuerten Anerkennung abfinden müssen – als Hausfrau, Mutter oder Bettgenossin.“

Adeva hat einen sechsjährigen Sohn, ist aber nicht verheiratet. Zu leicht könnte der Mann fürs Leben auch zum Unterdrücker fürs Leben werden.

Dann schon lieber ungebremste Soul Power. Aber die allein reicht der House-Heroine auch nicht. Sie fordert Frauen-Power. Auch im Studio. Adeva zupft ihre Biker-Jacke zurecht, hebt den Zeigefinger und sagt im Brustton der Überzeugung: „Wenn du denkst, daß ich ende wie dieses Häschen Whitney Houston, dann täuschst du dich gewaltig. Ich will produzieren, choreographieren – einfach alles selber machen!“ Vorsichtshalber glaube ich ihr, daß sie ihre Pläne verwirklichen wird. Denn kein Zweifel: Mit dieser imposanten Dame ist im Ernstfall nicht gut Kirschen essen.

Bevor Adeva zur Deep House-Queen aufstieg, war sie Lehrerin an einer Schule für autistische Kinder in New Jersey.

Und New Jersey war zu dieser Zeit auch die Keimzelle von Garage Music und Deep House. Adeva wechselte den Beruf, und die House Music-Welle schwappte nach Manhattan über. Ein Stück vom housegemachten Kuchen schnitten sich auch einige Leute aus Adevas Bekanntenkreis ab: „CeCe Rogers, Jomanda, Vicky Martin, Blaze – die stammen doch alle aus meiner Nachbarschaft. Das Besondere ist, daß wir alle ohne Netz und doppelten Boden singen: Ich habe bei den Aufnahmen keine Noten vor mir, keine Notizen, gar nichts. Ich gehe völlig unvorbelastet ins Studio und singe drauflos. „

Das tat Adeva auch schon in der Schule, damals in New Jersey. „Ich kann mich noch genau erinnern: Dauernd mußte ich mich beherrschen, um die anderen nicht zu übertönen.“ Aus dieser unschönen Situation zog Diva, wie sie damals noch genannt wurde („wegen meiner Aura“), die notwendigen Konsequenzen. Sie machte sich auf ins Haus des Herrn: „In der Kirche konnte ich nach Herzenslust singen.“ Und zwar aus voller Brust und Kehle.

Der Herr Pfarrer hatte trotzdem seine Bedenken. Nicht etwa wegen ihrer stimmlichen Qualitäten – die standen jenseits jeglicher Zweifel. Es war ihr kompromißloses Draufgängertum, was den Autoritäten Kopfzerbrechen bereitete. „Die größte Angst, die er und meine Eltern hatten, war nämlich die, daß ich Drogen und Alkohol verfallen würde.“

Inzwischen steht die ganze Gemeinde wie eine Eins hinter ihrem erfolgreichen Gospel Girl. Was die hohe Geistlichkeit und die Familie ganz besonders freut: Rauschgiftsüchtig ist sie trotz ihrer steilen Karriere immer noch nicht, und die Anonymen Alkoholiker können in absehbarer Zeit auch nicht mit Zuwachs rechnen.