Sziget Festival Obuda Insel, Budapest


Lassen Sie uns über Dimensionen reden: Dieses Festival ist groooß, dieses Festival ist bunt - und es ist überhaupt ganz: Wow!

Wenn abends um kurz nach zehn die SMS von einem Freund kommt, man sei schon zu diesem Restaurant vorgegangen, „das ist hinter der Main Stage geradeaus „, wäre das schon bei „Rock im Park“ kein sonderlich nützlicher Hinweis. Auf dem Sziget Festival aber ist es ungefähr so hilfreich wie „Ungarn und dann rechts ab.“. Wenn auf dem riesigen Gelände die Dämmerung eingesetzthatund sich immer mehr Leute zu ei ner der fünf Hauptbühnen drängen, sieht man immer wieder Grüppchen, die sich über kleine Faltkarten beugen.

Das spätabendliche Verlorengehen hat den Vorteil, daß man danach eine plastischere Vorstellung davon hat, wie viel und groß 70 Fußballfelder sind. So groß nämlich ist die Obudai Sziget („Obuda Insel“), eine von zwei dicht bewaldeten Donauinseln etwa auf Höhe der Budapester Altstadt, auf der das Festival seit 13 Jahren stattfindet. Gut anderthalb Stunden braucht man für die große Runde. Und fragt sich hinterher, was es denn hier bitteschön nicht gibt.

Henna-Tattoo-Stand? Eh klar. Supermarkt? 24 Stunden geöffnet. Drogenberatung, Apotheke, Geldautomat, Bank? Ja, yes, yupp, logen. Ungarisch-Crashkurs? Köszönöm szepen. Freibad, Bungee-Jumping, Beerbelly-Contest? Na, sie stellen Fragen … Kirche? Nein. Aber ein Wedding-Tent, und wir gratulieren dem Timo und der Andrea auch von dieser Stelle noch mal sehr herzlich.

Als das Sziget Festival 1993 gegründet wurde, da war Woodstock das große Vorbild, und das ist heute immer noch zu spüren, auch wenn Eric Burdon oder Jefferson Starship auf der Main Stage heute kaum noch eine Chance hätten. Seit Mitte der 90er Jahre ist das Festival ständig gewachsen, und was im ersten Jahr noch eine rein ungarische Angelegenheit war, zieht inzwischen Besucher aus ganz Europa an. Rund 400.000 Zuschauer sind dieses Jahr gekommen. Die meisten davon natürlich aus Ungarn, gefolgt von Deutschland, Österreich, Holland und Frankreich.

1000 Events auf 60 Bühnen finden statt – vom experimentellen Theater bis zum Klassik-Konzert. Und zumindest für die ungarischen Besucher ist das Ganze offenbar eine Gesamtfamilienverspaßung. Da sieht man den Vater im Black-Sabbath-Reunion-Shirt und seine Tochter im Teenie- AJter einträchtig bei Morcheeba stehen. Die haben übrigens vor Kurzem schon wieder die Frontfrau gewechselt. Jody Sternberg kann Skye Edwards stimmlich nicht ersetzen, dafür aber Saxophon spielen und paßt mit ausgelassener Hippie-Attitüde gut ins Sziget-Bild.

Das Line-up auf den fünf großen Bühnen mischt Einheimisches mit Internationalem , aktuelle Acts mit vom hiesigen Publikum lang ersehnten. Am größten ist die Begeisterung bei Underworld. Die alten Hits werden zu gigantischen Zwölf-Minuten-Monstern. Auch der Bühnen-Kameramann gibt alles, um die Performance sofort zu abstrakt wabernden Visuals mutieren zu lassen. Zehn Jahre hat man auf das Sziget-Debüt von Underworld gewartet. Bei anderen dauerte das zum Glück nicht so lange. So bei der Schweden-Riege, die mit Turbonegro, Mando Diao, The Hives und (International) Noise Conspirancy stark vertreten ist .Als die Hives die Main Stage betreten, werden, der besseren Sicht wegen, sogar sehr zerbrechlich aussehende Bäumchen in der Nähe der Bühne erklommen. Kein Wunder, scheint doch Pelle „Are you hungary for more?“ Almquist schlichtweg unfähig, eine schlechte Show abzuliefern. Eher routiniert die vier Stunden vor ihrem Konzert eingeflogenen Mando Diao, die nicht so recht zu wissen scheinen, wo sie überhaupt gerade sind. Wohingegen Juliette Lewis – pinkfarbenes XXL-Shirt, Schillerleggings, Wikingerhelm – mit ihren Licks hart, und beim Iggy-Pop-Cover „Search And Destroy“ minutenlang crowdsurfend, am Rock-Bitch-lmage arbeitet.

Nun wäre noch zu berichten von Franz Ferdinand, die bei einem Backstage-Plausch mit Georg Habsburg Gelegenheit hatten, die „Verwandtschaft“ kennen zu lernen, von der sträflich nichtanwesenden Turbojugend Budapest und der vermutlich weltgrößten Ansammlung von Iglu-Zelten auf einem Haufen. Keinesfalls aber darf uns das daran hindern, die heimlichen Publikumslieblinge zu erwähnen. Im Hare-Krishna-Zelt wird die „Hare Krshna/Hare Rama“-Litanei von den Mönchen nämlich bevorzugt als Ska-Punk dargeboten. Mann, da geht’s ab.

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