Madsen


Evolution bis zur Perfektion: Aus der Asche einer überflüssigen Crossover-Band hat sich ein Rock'n'Roll-Monster erhoben.

Lange Monate des Zweifelns beendet oft ein einziger klarer Moment der Gewißheit. „Wir standen im Proberaum, und ich hab‘ versucht, wieder so ein neues Stück zu schreiben“, erinnert sich Sebastian Madsen (26). Vor gut einem Jahr traf ihn eine Erkenntnis, die das Ende seiner Band Hörstuaz und gleichzeitig den Anfang einer großartigen neuen Geschichte markierte: „Das Lied war genau so wie die ganzen anderen Hörstuaz-Stücke, und wir haben gemerkt: Da ist jetzt alles gesagt. Das muß man nicht nochmal erzählen.“ Die erste Band, die große Hoffnung, der Aufbruch ins Erwachsensein – ein Haufen Scherben. Die Zeit für „Raps, Scratching, harte Steh-auf-Riffs und Weltverbesser-Texte“ war vorüber, das war mit einem Mal allen klar: Sebastian, seinen Brüdern Johannes (26) und Sascha (21) sowie dem Hörstuaz-Produzenten Sven Bünger (Ex-Cultured Pearls), der über die Jahre zu einem guten Freund geworden war. Und sowieso dem Major-Label, das die junge Band Ende der 90er Jahre unter Vertrag genommen und nach einer EP nie wieder ernsthaft unterstützt hatte. „Wir hatten ein tierisch teures Album aufgenommen. Es ist deprimierend, wenn dann nichts passiert“, meint Sebastian. „Aber dafür sind wir mit Madsen jetzt auch viel zufriedener. Der ganze Crossover-Kram würde ja eh nicht mehr stehen, denk‘ ich mal.“ Kaum hatte sich der Sänger und Songschreiber der Madsen-Familie mental von dem überholten Projekt verabschiedet, wurde er wieder kreativ. „Ich hatte oft einfach eine Zeile im Kopf. Dann hab‘ ich mich mit der Gitarre in mein Zimmer zurückgezogen, bekam einen irren Blick und war nicht mehr ansprechbar“, sagten Sascha nickt: „Da sitzt man beim Essen und versucht mit ihm zu reden, und dann, zack, isser weg mit’m Stift in der Hand, und zwei Stunden später kommt er mit’m Lied.“ Der erste Madsen-Song, der Opener des von Thees Uhlmann in den Himmel gelobten Debüts geworden ist, war „Vielleicht“. „Es sollte textlich offener werden, Platz zum interpretieren da sein. Ich weiß ja selbst bis heute nicht, was ich mit ‚Die Perfektion‘ meine. Wichtig warauch, daß der Sound nicht mehr so peinlich gewaltig ist, nicht mehr so ‚gut produziert'“, sagt Sebastian. Die neuen Songs sind stürmisch und rau und auf eine ganz und gar unpeinliche Art noch immer gewaltig. Sie sind so kurz, so direkt, so einprägsam und schlüssig, daß sie für die Entwicklung des deutschsprachigen Rock’n’Roll wichtig werden könnten. Zwar fühlt sich Sebastian ein bißchen von „den ersten Tocotronic-Sachen, obwohl die ja viel schraddeliger waren, von den Strokes und von der Energie her von Ton, Steine, Scherben „beeinflußt, als Teil einer Tradition“ aber sieht er Madsen nicht. „Ich glaube, es ist was wirklich Neues“, sagt er, nachdem er mit einem tiefen Atemzug Mut geschöpft hat. „Das mein‘ ich gar nicht großkotzig, ich hab’einfach in der Richtung noch nichts gehört.“

Madsen – MADSEN (Universal)