Bon Jovi: Wilde Nächte


Bon Jovi kehren in die Arenen zurück. Mit einer Show, die zum Besten zählt was die Popwelt heute zu bieten hat.

Die Herren Stars nahen ganz unauffällig: In einer weißen Stretch-Limousine mit verdunkelten Scheiben und „New Jersey“-Kennzeichen, von der Polizei eskortiert. Anderenorts wäre das im Schritttempo dahinzockelnde Gefährt vermutlich binnen Sekunden von enthusiastischen Fans umlagert gewesen, aber hier in Deutschland übt man sich halt doch in Zurückhaltung, macht man dem überlangen Teil auf seinem Weg zum hermetisch abgeschirmten Backstage-Bereich fast ehrfurchtsvoll Platz. Während sich die dort abgesetzten Passagiere umgehend lustvoll am Catering vergehen, bricht ein paar Meter weiter das kontrollierte Chaos aus: Geschäftig herumwuselnde Roadies stöpseln oben auf der Bühne in aller Eile die letzten Kabel in die Amps mit „Richie“-Aufschrift, checken nochmals die Schlagzeugmikros und Gitarren-Effektgeräte. Eine Dreiviertelstunde später spitzt schließlich Tourmanager Dave Davis zur Containertür herein, auf der groß und breit der Schriftzug „Band“ prangt: „The stage is set, guys…“

Szenen wie diese werden sich in den nächsten Wochen nicht nur hier zu Lande, sondern auch im benachbarten Ausland wiederholen. Denn Bon Jovi sind einmal mehr auf der Open-Air-Walz durch die großen Arenen. Dafür wollte sich die Band jedoch nicht mehr auf das eher stereotype Pflichtprogramm verlassen, zu dem sie noch vor wenigen Monaten der Promotionjob für ihr damals neues Albums „Crush“ gezwungen hatte. Jenes hat sich inzwischen weit über sieben Millionen Mal verkauft, braucht also keine große Werbung mehr.

Mit gutem Gewissen konnte die Band folglich für den zweiten Teil der Tour ein paar Songs aus dem Archiv graben, „die wir schon Jahre nicht mehr gespielt hatten“, wie Drummer Tico Torres erklärt: „Da macht der alte Kram dann wieder richtig Spaß. Das ist genau so wie nach längerer Pause wieder Sex zu haben, haha…“. Die ersten Gigs mit dem umgestellten Repertoire in Japan, Australien und den USA seien bestens gelaufen, „so dass wir richtig gut geölt sein werden, wenn wir nach Europa kommen.“ Alles neu macht der Juni also- mit einer Ausnahme: Die beiden nicht nur mit VIPs bestückten Bars, die die eigentliche Bühne bereits bei den letztjährigen Shows eingerahmt hatten, werden auch diesmal wieder installiert. Die Idee dazu wurde laut Tico Torres bei einer Benefizshow im heimatlichen New Jersey geboren: Eine Ballroom-Atmosphäre habe man damals schaffen wollen und das Konzept hinterher nur noch etwas modifiziert. „Auf diese Weise kannst du Medienleute, Fans und persönliche Freunde mal miterleben lassen, wie das ist, vor so vielen Leuten aufzutreten, und gleichzeitig der Band für einen bestimmten Zeitraum sehr nahe sein.“

Wer im letzten Jahr eines der Bon Jovi-Open Airs besucht hat, der weiß, dass die Gruppe von dieser ungezwungenen Party-Stimmung auf der Bühne nicht unwesentlich profitiert: Sie bekommt ihre eigene Wirkung nämlich hautnah mit – gelegentlich sogar buchstäblich. Etwa wenn Jon sich eine der Damen aus der ersten Reihe schnappt und mit ihr ein Wange-an-Wange-Tänzchen auf die Bühnenbretter legt, während der Rest der Truppe den soften Soundtrack dazu liefert. Soft, jawohl. Denn Bon Jovi haben nach wie vor viele weibliche Fans, die bei den heftigen Nummern wie „Keep The Faith“ zwar ordentlich abrocken, aber im Grunde doch nur auf die Schmuser wie den vom Rosenbett warten, zu dem sie sich nur allzu gern von Herrn Bongiovi geleiten lassen würden.

Es wäre töricht, diese wichtige Klientel nicht zu bedienen, und man hat ja auch den passenden Frontmann dazu. Der ist noch immer, wenn man anerkannten Fachfrauen trauen darf, im Besitz des knackigsten Arsches des Rock-Biz – und verkauft sich auch so. Seine zweite wichtige Rolle neben der des Sex-Symbols: Den Anheizer spielen. Bei Rockern wie „You Give Love A Bad Name“ dirigiert der 39-Jährige den Mega-Chor, während Richie Sambora seiner Gitarre tüchtig die Sporen gibt. Dazu prasselt ein Scheinwerfer-Sperrfeuer auf die Massen hernieder, das mit zum Besten gehört, was einem dieser Tage in einem Rock-Konzert präsentiert werden kann. Unterm Strich „probably the finest rock’n roll show on the road“, wie Herr Bongiovi mutmaßt. Könnte stimmen.

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