Dahoam is dahoam: So ein Haindling


MÜNCHEN: Wider alle Regeln dessen, was Bayern unter Geographie verstehen, war dies das definitive Heimspiel in der weißblauen Landeshauptstadt — obschon die Truppe doch, Kultur-Milchstraßen entfernt, aus dem niederbayerischen Haindling stammt: die Halle überausverkauft, draußen suchen Fans noch per Schild nach Tickets. Hans-Jürgen Büchner, Schlitzohr mit genauer Kenntnis der Volksseele, weiß natürlich um diesen Bonus und nutzt ihn während des gesamten Abends in seinen launigen Zwischenmoderationen — anders als bei Gastspielen im fernen Preußenreich muß er sich hier nicht als Exot mißverstanden fühlen, nicht befürchten, als bajuwarisches Naturphänomen bestaunt zu werden. Buchners Band agiert von Beginn an druckvoll und präzise, der Sound kommt so glasklar wie selten sonst in diesem akustisch eigentlich miserablen Rundbau. Der Set bietet einen durchaus repräsentativen Querschnitt durch sämtliche bisherigen Alben des Töpfermeisters aus dem 3000 Seelen-Kaff Haindling, wobei auffällt, wie selbstverständlich die Stücke des neuen Longplayers („Die jungen Herrn“, „Zwiefacher“, „Das Geheimnis“) schon jetzt ihren Platz im Repertoire ge-: unden haben. Auch die Fangemeinde kann sie bereits auswendig mitsingen.

Gerade auf der Bühne macht Büchner klar, welche Variationsbreite jenes nonkonformistische Wandern zwischen Pop, der bayerischen Musiktradition und allerhand exotischen Ethno-Musiken diesem Erzmusikanten bietet. Da können der Chef und seine fast ausnahmslos multiinstrumental tätigen Mitmusiker Versatzstücke aus den unterschiedlichsten Stilen bunt miteinander kombinieren und die kuriosesten Ungetüme aus ihrer offenbar unerschöpflichen Instrumentenkammer hervorkramen — im Endeffekt kommt doch immer typischer Haindling-Sound heraus.

Ganz ungetrübt ist das Vergnügen aber zumindest für all jene nicht, die Hans-Jürgen Buchner vor allem als klugen Kopf und Komponisten mit viel Sinn für lyrische Zwischentöne schätzen: Im Unterschied zu den wunderbar differenzierten Percussion-Grooves auf „7“ läßt Buchner seinen Drummer im Konzert hauptsächlich Mitklatschfreundliche Simpelrhythmen auf Snare und Bassdrum dreschen. Außerdem gibt er, wohl angestachelt durch die offenkundige Freude des Publikums an seinem Rustikal-Charme, in seiner Bühnen-Conference dem Affen doch zuviel Zucker — da droht die Musik zur Nebensache zu verkommen. Ein echtes Highlight aber versöhnt schnell (und macht klar, daß man auch in Niederbayern musikalisch auf der Höhe der Zeit sein kann): Die lebensnahe Geschichte von der operativen Entfernung eines mißplazierten Holzschiefers durch den Messner von Krailing pfeffert Haindling als mitreißenden HipHop/Rock-Crossover von der Bühne.