Schmollecke


„Musik aus dem Computer“, könnte diese Schmollecke heißen, aber es geht nicht um Synthesizer und Sampler, sondern um eine Erfahrung, die ich auf einer Radiopromotionreise für meine eigene Band Non art Art gemacht habe. Der Begriff der .Playlist“ war mir bisher durch meine Arbeit beim WDR geläufig: Ein Redakteur stellt eine Liste von Titeln zusammen, die über einen gewissen Zeitraum immer wieder gespielt werden müssen. Bei jeder meiner zweistündigen Sendungen z.B. kann ich rund 30 Songs spielen, die ich mir von den 65 auf der Playlist aussuchen .darf“. Hat der Redakteur also einen einigermaßen fähigen Musikgeschmack, ist dieses System noch ganz human. Es soll aber immer wieder schwarze Schafe gegeben haben, die für hübsche Präsente den letzten Scheiß gespielt haben. Das wollte man mit der Playlist wohl vermeiden. Und sie soll .Ausgewogenheit“ gewährleisten: Es wird so genau darauf geachtet, wieviele Newcomer, Superstars, deutsche, ausländische, rot- oder schwarzhaarige, männliche oder weibliche Interpreten/ Bands im Programm vertreten sind. Bei vielen Sendern hat die Elektronik das Regiment übernommen. Ein Computersystem wird von einem Redakteur mit Titeln .gefuttert“ und entwirft mit diesen Daten für jede Sendung einen Laufplan — der Moderator kann also gar nichts mehr aussuchen. Der Rechner arbeitet .ausgewogen“, und er weiß, welche Titel wann und wo zum letzten Mal gespielt wurden. In Nordrhein-Westfalen etwa gibt es mehrere Privatstationen, die alle vom selben Computer ,versorgt“ werden. Unheimlich flexibel, was? Im Klartext bedeutet das: Es gibt immer weniger Programme, die die Persönlichkeit und den Geschmack eines bestimmten Moderators hervorheben, keine Leute mehr wie Alan Bangs oder Frank Laufenberg, dafür immer mehr Einheitsbrei und .Nummerngirls oder -boys“, die Titel an- und absagen. Alle schreien nach fähigem Nachwuchs für TV und Radio, nach .lohn Leuten mit Ausstrahlung, die sich absetzen von der Masse“. Nur, wie soll das funktionieren, wenn alle das gleiche machen müssen? Wenn ein Moderator auswählen darf, was er letztendlich präsentiert, bringt er das Thema mit Sicherheit überzeugender und besser an den Mann. Also Ihr Vorgesetzten, legt den .Playboy* zur Seite und laßt Eure Leute an die .Playlist“ ran.