AC/DC
Brian Johnsons Stimme humpelt heute aber mächtig auf Kriikken daher“, brüllt ein Fan im verwaschenen „Fly On The Wall u -Shirt seiner Freundin ins Ohr, um die Lautstärke der Band zu übertönen. Und damit trifft der Mann den Nagel auf den Kopf. Denn der Leadsänger von AC/DC hat gerade „Back In Black“, den dritten Song, beendet, und seine Stimme wirkt an diesem Abend fürwahr recht angeschlagen. Das will was heißen, denn er klingt eigentlich immer so, als gurgele er mit einem Gemisch aus Stahlwolle und Ajax flüssig.
Vielleicht mußte sich Johnson nach zehn Jahren als Leadsänger von AC/DC aber einfach erst einmal aus der Tournee-Routine wachbrüllen. Denn spätestens nach einem Hardrock-Gewitter mit Songs wie „Fire Your Guns“, „Hell’s Beils“, „Moneytalks“, „She Got The Jack“ und „Heatseeker“ hatte er den typischen AC/DC-Sound wieder voll auf den Stimmbändern. Die gestochen scharfen, präzisen Drumbeats des neuen Trommlers Chris Slade boten dabei eine inspirierte Hilfestellung: Der Glatzkopf mit den bösen Trommelstöcken sorgt für eine frische Brise im stagnierenden Konzept von AC/DC. Immerhin ist es schon knapp 16 Jahre her, daß sich die Band in ihrer eigenen Schublade im Rock ’n‘ Roll-Baukasten eingerichtet hat, die sie — wie ein Neandertaler seine Höhle — seitdem nie mehr verließ: mit einfachen Riffs, gewaltigen Drums, schweißtreibender Bühnenakrobatik und einerordentlichen Prise bestialischer Wollust.
Chris Slade wurde mit seinem Drumset als erster während eines simulierten Blitzund-Donner-Gewitters aus der Versenkung auf die fast kahle Bühne befördert. Und als Angus Young in seiner steifbeinigen Version von Chuck Berrys watscheligem Entengang über die Bretter fetzte und einige Riffs auf der Gitarre anschlug, wußte jeder der 17.000 Fans in New Jerseys Meadowlands Arena sofort, was ihm bevorstand: „Thunderstruck“, die erste Single vom aktuellen Album THE RAZOR’S EDGE ist der perfekte Opener für jedes Konzert. Und JFor Those About To Rock (We Salute You)“ ist der zur Tradition gewordene Abschluß jedes AC/DC-Gigs, der an diesem Abend von Kanonendonner zweier Panzerrohre untermalt wurde.
Zwischen diesen beiden Höhepunkten lagen zwei mit Heavy Metal und Hardrock vollgepackte Stunden, die wie das Album THE RAZOR’S EDGE klangen: ein aufgewärmter Eintopf aus allen vorangegangenen Platten von AC/DC, auch wenn Gitarrist Angus Young und sein sechs Jahre älterer Bruder Malcolm noch immer zu den besten der Zupf-Zunft gehören. Nach 45 Minuten bot Angus dann im Song „Jailbreak“ den gewohnten Striptease, wobei er dem Publikum nicht mehr wie früher seinen blanken Hintern zuwendete, sondern sich aus der lila Schuluniform pellte, um Boxershorts mit Stars & Stripes zu zeigen — witzig.
Noch schöner wär’s jedoch, wenn sich AC/DC auf der nächsten Tournee mal endlich von der zur Zwangsjacke gewordenen Routine befreien und dann so richtig die musikalischen Boxershorts zeigen würde.